Emotionen sind oft mehr ein Alarmzeichen für Vorurteile als ein Wahrheitsindikator.
Bei einem emotional betonten Menschen leuchten sofort die Alarmglocken auf, wenn er bestimmten Aussagen anderer Menschen begegnet, die antipathische Regungen in ihm erzeugen, und sofort ordnet er den anderen Menschen in eine zuvor bereitgestellte Schublade ein, die zu hinterfragen ihm als Sakrileg gilt, aber er fühlt sich sofort sympathisch berührt, wo er auf ähnliche Überzeugungen und liebgewonnene Anschauungen trifft.
Könnte man der Toleranz halber an einen solchen Menschen nicht die Frage stellen: Warum fragst du nicht nach, wenn du auf Aussagen oder Verhaltensweisen triffst, die dir nicht gleich zusagen? Warum lässt du dich nicht auf eine kleine Diskussion ein, bevor du den Kontakt aufgrund vorschneller Urteile abbrichst! Aber nein: Die Einordnung in eine geistige Schublade erfolgt ganz automatisch. Das Getriggert-Sein von Emotionen führt sofort zur unbedingten Ablehnung oder Annahme einer Aussage oder eines Verhaltens ohne kritische Auseinandersetzung. Emotionen kennen nur zwei Arten von Polen: Sympathie und Antipathie. Und Sympathie, von der man überwältigt wird, schlägt ohne Vorbehalte schnell in Antipathie um. Emotionen sind Indikatoren einer Grundsatzentscheidung. Sie können nur Bejahen oder Verneinen, besagen aber nichts über inhaltliche Gründe. Insofern können sie auch nicht als Mitteilunge über einen Inhalt oder dessen Wahrheitsgehalt entscheidend sein. Ein Mensch, der seine Urteile von Emotionen leiten lässt, ist diesen willkürlich unterworfen. Er hat keine Kontrolle des Willens über sie, seine Urteile schwanken zwischen Ja und nein, von einem Extrem zum anderen. Im Extremfall spricht man in der Psychiatrie von einer emotional instabilen Persönlichkeit oder Borderlinestörung, bei oberflächlichem, ständig zur Schau getragenem Affekt auch von einer histrionischen (hysterischen) Persönlichkeit.