Badende, Buntfarbstiftzeichung 1980
Badende, Buntfarbstiftzeichung 1980

Warum falsche Demut heute herrschend ist

Warum sind Gottes Gedanken ganz anders als die der Menschen? Weil seine Demutshaltung eine entgegengesetzte ist.

Gott ist nur darum und nur in dem ein wahrhaftiger Gott, dass sein inneres Wesen vollkommene Demut ist.

Das sich zum Tiefsten Neigen und das Verlorene als Erstes Suchen ist Gottes wahre Demut und innerstes Wesen. Die Demut Gottes bewegt sich von oben nach unten, sie neigt sich herab, liebend und sich identifizierend. Das ist die Beziehung Gottes zu seiner Schöpfung. Gott zieht seine Schöpfung, um mit ihr in Dialog zu treten.

Beim Menschen dagegen ist dies in erster Linie gerade umgekehrt: Er kniet vor einer vermeintlich höheren Macht, um selbst, so wie er gegenwärtig ist, von Gott erhöht zu werden, statt dass er sich in Selbsterkenntnis seiner Schwäche mit Gottes liebender Demut verbindet. Als wäre es ein besonderes Kunststück und ein besonderer Verdienst, vor einer vermeintlich höheren Macht zu knien. Ein Mensch, der sich auf diese Weise seiner Demut rühmt, verfolgt naturgemäß einen persönlichen Zweck, eine persönliche Aufwertung, die er sich von einer menschlichen Macht oder stellvertretend von Gott erhofft.

In jedem Menschen liegt diese Tendenz, sie ist psychosozial und spirituell konstituiert. Zugleich liegt auch in jedem Menschen die Tendenz, eine solche Demutshaltung zu verachten. Das hängt damit zusammen, dass wir instinktiv daran das Falsche, Verdrehte und Ungerechtfertigte spüren, dass wir, bewusst oder unterbewusst, den Widerspruch zum wahren Wesen Gottes in uns fühlen. Denn diese Demut ist nichts anderes als eine falsche, heuchlerische Liebe ohne persönliche Stellungnahme, eine blinde Ehrerbietung, in welcher wir unsere Verantwortung in Anbetracht eines Menschen oder einer Community sofort an den Nagel hängen, ohne die Inhalte, die sie vertreten, besonders wenn sie verdächtig erscheinen, aber auch dann, wenn sie uns allzu geschmeidig entgegenkommen, mit allen Mitteln zu prüfen. Der Mensch in seiner inneren Trägheit gibt gerne seine Verantwortung ab und in die Hände ungeprüfter Meister und Spezialisten.

Etwas ganz anderes und geradezu ein himmlisches Gegenbild zu dieser verfehlten Demutshaltung ist die liebende Hochschätzung, die wir menschlich bewährten Vorbildern, ähnlich Gesinnten, geistigen Schwestern und Brüdern, schuldig sind. Wir erfreuen uns dann an ihren Gaben, welche wir anerkennen, und lernen von ihnen als Gleichgestellte. Ihrer Fehler dürfen wir bewusst sein, wenn wir sie erkennen. Allein in dieser Haltung gründet echte menschliche Gemeinschaft. Zu einer auf Wahrhaftigkeit gegründeten Demut gehört aber auch die menschliche Achtung unserer Feinde, die der beschriebenen Freude entbehren muss. Jede Verehrung von Menschen ist dagegen Götzendienst.

Die „Demutshaltung“ des größten Teiles der Menschheit ist anders geartet. Sie besteht in einer Selbsterniedrigung, um selbst erhöht zu werden. Besonders ausgesprochen religiöse Menschen legen diese Haltung offen an den Tag.

Dass wir unter dem Einfluss von inspirierenden feindseligen Mächten gegen diese Art von „Demut“ und in der Folge gegen Unseresgleichen, ja sogar gegen die Naturreiche und letztlich gegen den damit verbundenen, vermeintlichen Gott aufbegehren, ist nicht verwunderlich. Die menschenfeindlichen Weltmächte fordern ja nur gerade diese Art von „Demut“, die wir aber instinktiv verweigern müssen, da sie von einer gefühlt menschenfeindlichen Seite stammt. Die Empfindung dieser Menschenfeindlichkeit wird aber dann auf Gott übertragen und dieser zu einem Tyrannen gemacht, der mit immerwährender Verdammnis droht, unbesehen akzeptiert von allen betont Religiösen. Der „Gott“ einer verdrehten Demut, der ob seines inneren Selbstwiderspruches ständig gegen sich selbst rebellieren muss, liegt all dem zugrunde. So kann dann in der Regel nur verdeckte Feindseligkeit und Misstrauen unter den Menschen herrschen.