Gott ist nicht identisch mit seiner Schöpfung, sowenig wir identisch mit unseren Gedanken sind.
Lehrer einer östlichen, pantheistisch geprägten Weisheit sehen oft eher verächtlich auf Menschen herab, die an einen persönlichen Gott glauben, der über sie verfügt.
Sie unterstellen ihnen eine dualistische Denkungsart, die zwischen einem äußeren Gott und einem inneren göttlichen Selbst unterscheide. In Wahrheit sind sie aber selbst Dualisten, denn sie können nicht begreifen, dass der persönliche Gott die Vergöttlichung jedes Menschen nicht nur nicht ausschließt, sondern diese durch seine persönliche Einwohnung in uns überhaupt erst ermöglichen will. Jedes Wesen ist ein göttlicher Gedanke, aber solche „Gedanken“ sind selbständig und der Stellungnahme in Form von Bejahung oder Verneinung fähig. Wir alle tragen potenziell in einer individualisierten Form die ganze Schöpfung in uns, aber eben damit noch nicht auch den persönlichen Gott. Die Leibwerdung Gottes in uns bzw. in seiner ganzen Schöpfung ist das unwiderrufliche Ziel, allerdings hat Gott schon in der Ewigkeit seinen eigenen spirituellen, dialogischen Leib – unterschieden von seiner Schöpfung – laut Neuem Testament im präexistenten Jesus Christus. Esoteriker, die eine unpersönliche Christuskraft ohne geistiges Zentrum predigen, dessen sich jeder durch Übung und Erkenntnis bemächtigen könne, wollen das nicht begreifen. Sie verhindern bei denen, die ihren Lehren Glauben schenken, eine persönliche Verbindung mit dem persönlichen Gott und bieten stattdessen ein emotionales, rauschhaftes Scheinbild der „Erleuchtung“ an. Aber auch nicht durch ein formales Bekenntnis oder eine formale Offenlegung von Sünden und Verfehlungen, danach aber im passivem Ausruhen und Warten auf eine „Vorentrückung“, wie es bei Evangelikalen üblich ist, wird diese Verbindung hergestellt, sondern in dem begeisterten Ergriffensein von der Erkenntnis der Liebesmacht Gottes und seines Planes mit der Schöpfung, welche Erkenntnis es uns erst ermöglicht, auch unsere Feinde zu „lieben“, das heißt, sie zumindest als ebenbürtige Ich-Wesen mit ähnlichen inneren Konflikten und in ihnen angelegten göttlichen Entwicklungszielen anzuerkennen.
Jesus sagt, dass niemand zum Vater (zum persönlichen Urquellgrund) kommt, der nicht sein Fleisch isst und sein Blut trinkt. Das Fleisch steht für den Plan, für das Wort und die Weisheit, das Blut für das Leben und die Liebe. Wer sich mit Gott verbinden will, muss gewissermaßen den ganz persönlichen Leib Jesu, in dem Gott Fleisch wurde, spirituell anziehen. Das bedeutet kein Aufgeben unserer unverzichtbaren individuellen Persönlichkeit, wie pantheistische Mystiker wähnen, sondern eine innige, dialogische Verbindung mit Gott.
Die Verbindung mit Gott besteht in einer demütigen, freiwilligen Hingabe an seinen Willen, der es allein wert ist, unseren egoistischen Eigenwillen in ihn zu verwandeln. Sie ist das genaue Gegenteil einer eigenwilligen Ermächtigung im Sinne mutwilliger Aneignung einer göttlich gedachten, unpersönlichen Kraft. Sie impliziert die Begeisterung für die Demut Gottes gegenüber seiner ganzen Schöpfung, in welcher der Urquell der göttlichen Liebe ja erst besteht. Die Erkenntnis, dass die reinste Demut selbst das Wesen Gottes ist, beflügelt uns zur Demut vor Gott und vor der Schöpfung und somit zu einer Form angstfreier, autonomer Ethik. Wie kommen wir dazu? Durch die Erkenntnis seines grundsätzlichen Erlösungs- und Vollendungswillens, durch das Vertrauen auf seine Führung und durch die in dieser Führung ermöglichte allmähliche Erforschung und Erkenntnis unseres persönlichen Ermächtigungswillens und dessen aggressiver Bösartigkeit. Es ist ein stufenweiser Prozess der Umwandlung, der zu immer größerer Sensitivität, Empathie und Demut führt und nichts mit emotionaler Spontanerleuchtung zu tun hat.