Zwischen der Ignoranz derer, die die Erde für flach halten, und dem Hochmut derer, die politische Kritiker mit Flachköpfen gleichsetzen, gibt es meist keinen Unterschied.
Der im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts beginnende und im 19. Jahrhundert auf seinen Höhepunkt gelangte materialistische Hochmut naturwissenschaftlicher Denker kam in einer Geschichtsfälschung zum Ausdruck, wonach die Menschheit noch im Mittelalter an eine flache Erde geglaubt hätte.
Diese erstmals in einem einzigen Buch auftauchende Behauptung, die die durchgängige geistige Dummheit mittelalterlicher Menschen unter Beweis stellen sollte, trat in der trägen Masse der Menschen, entgegen aller historischen Dokumente, ihren Siegeszug an. Die durch materialistisches Denken, Mechanisierung der Lebensprozesse und Desinteresse an spirituellen Fragen geprägten Generationen fanden in einer solchen Behauptung ein sanftes Ruhekissen, um sich auf ihre einzigartige Denkfähigkeit überaus viel einzubilden. Man war ja plötzlich gescheit geworden, natürlich gefördert durch außerordentliche Genies, auf deren Erkenntnissen man sich ausruhen durfte. Die geistige Beschränktheit all derer, die vor dem siebzehnten Jahrhundert existiert hatten, war damit erwiesen, ein Grund mehr, eine solche Geschichtsfälschung dankbar und ungeprüft für bare Münze hinzunehmen. Ein Hinweis auf die Hexenprozesse als Prüfstein für menschliche Dummheit genügte. Freilich: Das letztere war wahr, doch wurde dabei füglich übersehen, dass diese Hexenprozesse zum größten Teil im siebzehnten Jahrhundert stattfanden, also gerade zu einer Zeit, da die Naturwissenschaften aufblühten. Doch der Betrug schlug mittlerweile gegen die Betrüger selbst aus: Heute sind es Millionen, die an eine flache Erde glauben.
Die möglichen Beweise für die Kugelerde sind mittlerweile, historisch nachgewiesen, 2600 Jahre alt, und seit mindestens dieser Zeit war nicht nur jedem Gebildeten, sondern jedem selbständig denkenden Menschen die Kugelgestalt der Erde völlig klar. Während des gesamten Altertums und Mittelalters gab es nur einzelne Menschen, wissenschaftliche und religiöse Sonderlinge, Fantasten, die entgegen jeder klaren Logik an eine flache Erde glaubten und darum mit kompliziertesten Thesen aufwarten mussten.
Warum ist der Beweis der Kugelgestalt der Erde der allereinfachste, rein logisch zu begründende naturwissenschaftliche Beweis? Das hat drei einfachste Gründe, die jeder ohne weitere Kenntnisse einsehen kann:
- Wäre die Erde flach, so würden große Gegenstände in der Ferne bei ihrer Annäherung nicht allmählich hinter dem Horizont emportauchen.
- Bei einer flachen Erde würde es, wenn die Sonne hinter dem Horizont versinkt, auf der gesamten Erdoberfläche Nacht werden, bei ihrem Aufgang auf der ganzen Erde Tag. Unterschiedliche Tages- und Nachtzeiten in anderen Ländern gäbe es nicht.
- Diejenigen Flatearther, die behaupten, die Sonne streiche nur den Horizont entlang und könne wegen Nebeln bei größeren Entfernungen nicht gesehen werden, verschweigen die für jeden zu beobachtende optische Tatsache, dass die Sonne im Osten hinter dem Horizont aufgeht und im Westen hinter dem Horizont verschwindet, sie also keineswegs spiralförmig oder wie auch immer am Himmelszelt herumkreist.
Man braucht weitere Überlegungen, wie den Erdschatten auf dem Mond, die verschiedenen Sternbilder auf unterschiedlichen Seiten der Erde, die Jahreszeiten und die Abkürzungen beim Zurücklegen größerer Wegstrecken per Schiff oder Flugzeug also gar nicht erst in Betracht zu ziehen. Ergänzende Argumente wie diese erübrigen sich in Anbetracht der drei erbrachten Grundbeweise ganz von selbst.
Auf den Gedanken einer flachen Erde können demnach, eine grundsätzliche Fähigkeit zu selbständigem Denken vorausgesetzt, nur Kinder kommen oder einfachste Naturvölker, die in dichten Wäldern leben, die Schifffahrt nicht kennen und noch nie andere Länder mit unterschiedlichen Tageszeiten bereist haben.
Hinlänglich informierte Menschen mit dem verfügbaren Grundwissen glauben daher nur unter zwei Voraussetzungen an eine flache Erde:
Entweder denken sie nicht selbständig nach, prüfen nicht gewissenhaft und lassen sich von anderen in ihrem Denken aus Sympathiegründen vollständig leiten oder sie entwerfen in ideologischer Verblendung, oft in paranoidem Misstrauen auf alles, was sich wissenschaftlich gibt, ihre Sonderlehren, durch die sie Aufmerksamkeit zu erregen hoffen oder bei aller politisch geschürten Verwirrung unserer Zeit ein scheinbar einfaches geistiges Ruhekissen haben können.
Nicht die Menschen des Mittelalters sind also die geistig Beschränkten, die eigentlich Dummen (im Sinne einer Definition von Dummheit nach Dietrich Bonhoeffer) sind wir Menschen des 21. Jahrhunderts in vorher nie dagewesener Zahl. Der einfachste Bauer während des gesamten Mittelalters wusste von der Kugelgestalt der Erde. Heute dagegen gibt es Millionen von Gläubigen, die diese verrückteste aller naturwissenschaftlichen Hypothesen für wahr halten.
Was ist nun aber die Ursache für die augenscheinlich weite Verbreitung der flachen Erde in unserer Zeit? Ausgangspunkt ist nichts Geringeres als eine politische Agenda, die gut bezahlte Bauernfänger ausschickt, um im Internet unter falschem Namen Artikel zu verfassen, die für Anhänger werben sollen. Die Artikel sind so geschrieben, dass man ihren Verfassern durchaus ein physikalisches Wissen zuschreiben kann und somit auch die ganz bewusste Verdrehung oder Unterschlagung wesentlicher Sachverhalte. Diese Agenda steht im Dienst einer politischen Diffamierungskampagne, die sich gegen „Verschwörungstheoretiker“ richtet. Es wird suggeriert, dass Kritiker politischer Maßnahmen und des politischen Missbrauchs von Wissenschaft ganz auf derselben intellektuellen Stufe stünden wie Anhänger der flachen-Erde-Theorie. Und siehe da: Auch die meisten derer, die nicht auf die pseudowissenschaftlichen Argumente solcher Bauernfänger hereingefallen sind, haben angebissen: Sie halten jetzt alle Systemkritiker und Aufklärer für Flachköpfe.