Welt mit zwei Sonnen, 1997, Buntfarbstiftzeichnung 
Welt mit zwei Sonnen, 1997, Buntfarbstiftzeichnung 

Über den Unterschied zwischen gestörter Werkzeugintelligenz und moralischer Dummheit

Die essentielle Grundintelligenz des Menschen besteht in moralischer Einsicht, sie ist unabhängig von der Ausprägung leiblicher Werkzeuge und befähigt, das Weltganze zu erschließen.

Wahrheit ist nichts für arrogante Wissenschaftler.

Lehrer oder Hochschullehrer, denen allzu leicht „der Kragen platzt“, die ihre Schüler oder Studenten anschreien oder erniedrigen, entlarven sich nur allzu schnell als maligne Narzissten, die ihren Selbstwert durch vermeintliche Überlegenheit über andere definieren. Dadurch verstellen sie sich den Blick auf wesentliche Erkenntnisse. Allein schon die Anwendung von Begriffen wie „minderbegabt“ oder auch nur „intelligenzgemindert“ auf verschiedene Arten neurologischer Behinderungen zeigt ihre geistige Überheblichkeit. Hier fehlt die Erkenntnis, dass Menschen mit neurologischen Defiziten eben nicht „minderbegabt“ oder grundsätzlich „intelligenzgemindert“ sind und dass ihre Defizite überhaupt nichts mit Begabung zu tun haben müssen, sondern prinzipiell mit einer physiologischen Mangelerscheinung. Prinzipiell, also im Hinblick auf die Konstitution ihres Geistseelenleibes, haben alle Menschen dasselbe Potenzial. Der grundsätzliche Faktor menschlicher Intelligenz ist das Urteilsvermögen, das als Intuition in jedem Menschen angelegt ist und durch Übung und Selbstaktivierung im praktischen und theoretischen Denken gesteigert werden kann, wenn nicht physiologische Faktoren oder entschiedene Verweigerung aus moralischer Einstellung dabei im Wege stehen. Begabungen dagegen hängen mit bestimmten individuellen Willensausrichtungen zusammen, die in der Regel von früh auf geübt und in leibliche Aktivität umgesetzt werden müssen. Hohe emotionale Erregung bzw. Erregbarkeit oder physiologische Mangelerscheinungen können die Manifestation solcher Begabungen beeinträchtigen. Dies hat aber mit dem grundsätzlichen Vermögen und der Begabung in Form einer individuellen Willensausrichtung selbst nichts zu tun. In aller Regel sind individuelle Spezialbegabungen auch moralisch neutral.

In eine ganz andere Kategorie fällt wiederum das moralische Urteilsvermögen, für welches jeder Mensch, unabhängig von neurologischen Defiziten, grundsätzlich gleich begabt ist. Es handelt sich, mit anderen Worten, um ein hohes geistiges Grundvermögen auf Speziesebene. Für moralische Dummheit, Dummheit im Sinne von Dietrich Bonnhoeffer, ist daher, ganz im Unterschied zu neurologischen Defiziten wie bei Legasthenie oder Dyskalkulie, jeder Mensch selbst verantwortlich und daher auch zur Rechenschaft zu ziehen.
Moralische Dummheit macht sich besonders dort bemerkbar, wo böser, menschenverachtender Wille mit neurologischen oder psychiatrischen Störungen verwechselt und durcheinandergeworfen wird. Moralische Dummheit hat nichts mit einer Behinderung der Werkzeugintelligenz zu tun.

Für einen friedlichen und liebevollen Umgang der Menschen untereinander ist es daher erforderlich, jeden Menschen unabhängig von körperlichen Defiziten oder Spezialbegabungen als grundsätzlich gleichgeartete, zu selbständiger moralischer Urteilskraft befähigte Persönlichkeit wertzuschätzen, ihn aber eben deshalb gegebenenfalls für seine Handlungen zur Verantwortung zu ziehen. Unmöglich kann sich aber unser Selbstwert auf einer vermeintlich grundsätzlichen Überlegenheit über andere Menschen gründen, messen oder bewähren lassen, da eben diese narzisstische Einstellung mit moralischer Dummheit einhergeht.