Wahres Beten besteht in einer bewussten Gelassenheit in Gott, die eine Vereinigung des selbstverantwortlichen Willens mit dem göttlichen bewirkt.
Wir tragen in uns einen göttlichen Wesenskern und sind bestimmt, zu Tempeln Gottes und der Kraft Gottes zu werden, aber wir sind nicht Gott, und schon gar nicht sind wir „Götter“, dergestalt, dass wir alle unseren eigenen Gott in uns selbst tragen würden, wie Esoteriker wähnen.
Wir sind als Individuen unverzichtbare Teile der Schöpfung und tragen die ganze Schöpfung auf eine besondere Weise in uns. Der göttliche Wesenskern versetzt uns in die Lage, für alle unsere Taten, die wir in vollbewusster Entscheidung begangen haben, auch selbst die Verantwortung tragen zu müssen. Freilich ist in den meisten Menschen der göttliche Wesenskern noch stark verschattet und schlummert bei vielen noch in völliger Unkenntlichkeit. Wir tragen auch einen bösen Keim in uns, jeder auf seine eigene Weise, dessen Überwindung unsere Lebensaufgabe ist. Aber der göttliche Wesenskern existiert und garantiert uns ein urtümliches Bewusstsein von Gut und Böse, das uns in moralischer Hinsicht grundsätzlich einsichts- und entscheidungsfähig macht. Das hat der Mensch grundsätzlich den Tieren voraus, die zwar viele abgestufte Grade der Gutartigkeit und praktischer Entscheidungsfähigkeit besitzen können, aber keine moralische Eigenverantwortlichkeit.
Einen Unterschied zur christlich-biblischen Lehre finde ich im Gottesbild der „Weißen Bruderschaft“. Das Universum in seiner sichtbaren galaktischen Form wird dort als das Skelett und das unsichtbar belebte Universum als der Körper Gottes bezeichnet, was auf eine Form des immanenten Pantheismus weist. Ich selbst dagegen sage: Das Universum in seiner sichtbaren galaktischen Form ist als Skelett und das belebte Universum, dessen Skelett wir mit unseren physischen Augen wahrnehmen, ist der im Aufbau befindliche Leib einer im Engelssturz gefallenen Schöpfung, mit der sich Gott verbinden, in der er sich selbst in seinem dialogisch-individuellen Wesen verkörpern will und die er zum Ausgangspunkt nehmen wird, schließlich auch in die Leiber aller Wesen der gesamten kosmischen und himmlischen Schöpfung einzuziehen. Das ist das hohe Ziel, das er gegen alle Widerstände sich selbst zu erreichen gesetzt hat.
Wenn wir diese beiden Aussagen vergleichen, wird der Unterschied (und die Gemeinsamkeit) der östlich-esoterischen Lehre und echter christlicher Spiritualität auf den entscheidenden Punkt gebracht deutlich.
Wie verbinden wir uns nun mit Gott und seinem Willen? Allein in einer völligen Hingabe und Wesensübergabe. Und das ist letztlich nur in einem vollständigen Vertrauen auf die allumfassende Liebe Gottes und in der Erkenntnis seiner zentralen Wesenheit im Menschen Jesus Christus möglich. Daran führt kein Weg vorbei. Es handelt sich nicht um ein Gedankenkonzept, sondern um eine innige, erfahrene Realität.
Verantwortungsbewusstsein, Schulderkenntnis und -bekenntnis und eine Lebensübergabe müssen die Folge sein. Unseren göttlichen Wesenskern können wir nur in dieser Verbindung aktivieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir nicht durch Werkgerechtigkeit und Leistungswillen mit Gott eine Verbindung eingehen können. Geeignet für das Reich der Himmel, in denen wir zu wirken bestimmt sind, werden wir nicht durch Leistungswerke, gestufte Notengebung durch Gott und Preisgerichte. Das ist eine Erfindung evangelikaler Prediger, die zwar religiös sind, aber das Wesen Gottes weder vollständig erkannt haben noch wirklich lieben können. Derartige Ansichten entspringen einem Wohlstandsevangelium in Verbindung mit äußerem, lohnerheischendem Aktionismus. Vor Gott zählt nur der ernste Liebeswille in Begeisterung für seine Liebesfülle und sein persönliches menschlich-göttliches Wesen. Vertrauen, Liebe und Hoffnung im echten Sinne werden erst dadurch ermöglich. Wer in dieser Gesinnung handelt, kann auf die Führung durch Gott vertrauen und wird geführt. Er handelt zwar aus freiwilligem Antrieb, aber indem er handelt, in aller Spontaneität auf seine Handlungsweisen vertraut und nicht auf Wünsche des Egos, wirkt Gott durch ihn. Fortschreitend und in zunehmend klarer Erkenntnis wird er den Willen des niederen Egos und seiner Annehmlichkeiten immer deutlicher vom Willen Gottes unterscheiden können. Durch Rückschläge wird er sich nicht entmutigen lassen. Denn vor Gott zählen nur die ernsten Liebeswerke, die Gott selbst durch uns vollbringt, in Hingabe und autonomem Willen von uns ausgeübt. Nur so werden immer wieder von Neuem Angst, Verzweiflung und Resignation überwunden.
Lasst euch vor allem keine fremde Schuld aufbürden. Was euer klares Gewissen euch nicht als eine persönliche Schuld anzeigt, das dürft ihr auch nicht annehmen. Und handelt vor allem niemals auf äußeren Zwang. Gewisse unangenehme Zwänge müssen wir zwar auf uns nehmen, wenn dadurch höhere Pflichten im Einklang mit unserem Wahrheitsbewusstsein erfüllt werden können, aber Gewissenszwang darf niemals geduldet werden. Eltern, die das Gewissen ihrer Kinder oder Regierungen, die das Gewissen ihrer Bürger zu vergewaltigen suchen, sind des Gerichtes vor Gott, den Menschen und himmlischen Mächten schuldig. Verweigert euch den Forderungen falscher, selbsternannter Hirten und Politiker!

