Christusgesicht, 1986, Ölpastell
Christusgesicht, 1986, Ölpastell

Zur Trinität

„Gott-Vater“ und „Gott-Sohn“ sind Wesensqualitäten des dialogischen, in ihm selbst bestehenden Bewusstseins Gottes und weder Rollen noch getrennte Individuen.

Der Gottessohn ist das reflektierte Selbst des Vaters, der als Quelle im eigentlichen und urtümlichen Sinne Gott ist.

Der Gottessohn ist das reflektierte Selbst des Vaters, der als Quelle im eigentlichen und urtümlichen Sinne Gott ist. Gott ist ein Wesen, eine Individualität, das Urwesen oder Ur-Ich und er hat nur ein Bewusstsein. Dieses Bewusstsein aber ist wie bei einem Menschen geschichtet. Die Spitze seines Bewusstseins bildet das Urbild des Menschen, den Logos oder den ewigen Sohn Gottes. Es ist durchaus wichtig, dass der Logos keine Unperson ist, kein Begriffsprinzip, sondern der ewige in Gott eingeborene Sohn Gottes, das Urbild des Menschen und der gesamten Schöpfung, aus dem alles entstanden ist. In ihm reflektiert der unermessliche Vater-Urgrund sich selbst, so dass Paulus richtig sagen konnte: „In ihm ist leibhaftig die ganze Fülle der Gottheit.“ Der Sohn ist somit das reflektierte Selbst des Vater-Ichs, in dem sich die ganze Fülle des Vater-Urgrundes wie in einem Brennspiegel reflektiert. Dieses reflektierte Selbst Gottes inkarnierte im Menschen Jesus in Person. Inkarnieren heißt einfach: ins Fleisch kommen und sich im Fleisch entwickeln. Der Geist einer Individualität ist es, der inkarniert und exkarniert. Das ist biblisch und nicht esoterisch, wie viele glauben. Esoterisch wäre es anzunehmen, dass Gott (oder der präexistente Gottessohn) in einem fertigen, erschaffenen Menschen mit eigenem Ich in Form einer Ichverschmelzung inkarniert habe. Jesus war aber nur in der Eigenschaft eines irdischen Menschen ein Geschöpf, nicht als Ich- oder Geistwesen. In seinem innersten Wesen war und ist er Gott selbst. Als Mensch im Erdenkörper hat er auf unaussprechliche Weise gelitten und somit in ihm – als in dem konzentriertesten Punkt seiner Gottheit – auch der Vater. Es handelte sich keineswegs um ein bloßes begleitendes Mitfühlen des Vaters mit dem Sohn. Dass der Vater darüber hinaus „unendlich“ mehr ist, als der Sohn zu irdischen Lebzeiten Jesu in seinem nur menschlich-irdischen Bewusstsein war, und dass sich daher Jesus am Kreuz in tiefster Identifikation mit der gottlosen Menschheit von Gott verlassen fühlen konnte, ist eine andere Frage: Der Vater kann sich nicht selbst im Vater verlassen, sondern allein im Sohn. Wäre der Vater ein getrenntes Individuum neben dem Sohn, so hätte er selbst um der Erlösung der gefallenen Schöpfung willen den Kreuzestod erduldet.
Zwar ist in der Tiefe Gottes, in seinem Vaterbewusstsein, alles offenbar, da der Vater außerhalb von Raum und Zeit steht, Raum und Zeit durchdringend, also in seinem Sinne schon alles vergangen ist, freilich andererseits aber die Vergangenheit durch ihn auch noch künftig sein kann. Dies hat aber mit Vorherberechnung oder Vorherbestimmung künftiger Ereignisse nichts zu tun, und noch viel weniger wählt Gott aus einer unendlichen Zahl möglicher Geschöpfe gerade diejenigen aus, die zu seiner Konstruktion der „besten aller Welten“ oder besten aller Schöpfungsmöglichkeiten passen. Ich bin überzeugt davon, dass sich in der künftigen Ewigkeit, wenn die Schöpfung vollendet sein wird, auch diese leidvolle irdische Menschheitsgeschichte für alle Gerechten und Treuen wird umschreiben lassen.
Und so ergibt sich, dass Gott weder im Detail vorherbestimmt noch immer vorhersieht, was sich ereignen wird, aber im Vaterbewusstsein dennoch alles im Überblick hat, so dass nichts völlig aus seinem Ruder laufen kann. Im Bewusstsein des Sohnes, der mit der Schöpfung zeitlich verbunden ist, ist keineswegs alles zu gleicher Zeit gegenwärtig, sondern nur insofern, als es der Vater ihm zeigen will und der Wille, es zu sehen, mit dem des Vaters übereinstimmt. Jesus war auch als Logos nie vollkommen mit dem Vater selbst identisch und wird es auch niemals sein. Aber er hatte und hat in vollem Umfang Anteil an der ganzen Fülle des Vaters. Er ist wahrhaftig Gott in menschlicher Gestalt. Tatsächlich ist ganz im wörtlichen Sinne der Vater im Sohn und der Sohn im Vater. Gott ist in seinem eigenen Wesen dialogisch, wie er auch mit jedem erschaffenen Individuum in Dialog steht. Und so ist auch die Frage beantwortet, was Gott vor seiner Schöpfung getan haben sollte: Der Vater „unterhielt“ sich mit seinem Sohn. Jesus ist, wie Jakob Böhme sagte, eine selbständige Person in Gott. Er ist das reflektierte Selbst des Vaters, in dem sich der Vater als ein Gegenüber reflektiert.
Es ist also beides falsch: Die herkömmliche Auffassung der Trinität als einer Gemeinschaft gleichrangiger, voneinander abgegrenzter Individuen, die nur durch ein unpersönliches Prinzip, eine sogenannte unfassbare „Gottheit“, untereinander verbunden seien, einerseits und eine quasi zwei-Götter-Lehre, Arianismus genannt, wonach Jesus nur ein erschaffener, kleinerer Gott neben dem Vater-Gott sei, andererseits. Aber auch die unter christlich orientierten Esoterikern, vor allem durch Swedenborg und Lorber verbreitete Lehre, wonach Jesus lediglich die Inkarnation des Vaters selbst sei und es vor seiner Menschwerdung gar keinen Sohn Gottes gegeben habe, ist grundfalsch. Jesus war auch schon in seinem präexistenten Zustand der Sohn und wird dies auch in alle Ewigkeit bleiben. Paulus selbst bezeugt dies (1. Korinther 15-21).