Der äußerste Grad der Selbstliebe geht mit einem Höchstmaß an Verachtung für andere einher.
Wer von seinen Feinden gehasst wird und diese seine Feinde seinerseits hasst, dem tut dieser Hass kein großes Leid an.
Ganz im Gegenteil: Die Ablehnung durch seine Gegner spornt ihn geradezu an, sich seinen Feinden zu widersetzen. Diese kriegerische Haltung liegt in der gefallenen Natur des Menschen begründet.
Dem Antimessias, der in nicht allzu ferner Zukunft, rund hundert Jahre nach den großen anstehenden sozialen Umbrüchen und Bürgerunruhen, Dezimierung der Menschheit durch Seuchen, Hungersnöte, Kriege und Naturkatastrophen und einer völligen Neuordnung der Staaten, als Weltkaiser auftreten wird, wird es egal sein, ob man ihn liebt oder hasst. Es wird ihm genügen, dass man ihn fürchtet. Allein die Furcht der Menschen wird ihm schmeicheln. Seine Selbstliebe wird so groß sein, dass es ihm Freude bereiten wird, mit den Menschen wie mit Marionetten zu spielen. Sie zu unterwerfen und sie zur Beute seiner namenlosen Herrschsucht zu machen wird der ganze Inhalt seines Lebens sein. Er wird nur der eigenen Selbsterhöhung dienen. In ihm wird sich die Möglichkeit erweisen, dass die nach menschlichem Maßstab höchste Intelligenz mit der höchsten menschlichen Unreife einhergehen kann und dass die höchste Niedertracht einen hohen spirituellen Standard voraussetzt. In der selbstgerechten Genugtuung, in der die meisten Menschen auf schlimme Sünder (wie Kapitalverbrecher und schlechte Politiker) oder auch nur, was ungleich ungerechter ist, auf sozial weniger gut gestellte Mitmenschen herabblicken, kündigt sich bereits der Keim der Bosheit an, der es unmöglich macht, das Wesen Gottes zu begreifen.
Wer wird dieser falsche Messias sein? Die Seherinnen Birgitta von Schweden und Hildegard von Bingen sprechen davon, dass er bereits im Mutterleib von der „Kraft des Satans“ eingenommen sein wird. Nach Paulus wird ihm „die ganze Macht des Satans“ gegeben sein. Wie ist es möglich, so werden sich gläubige Menschen fragen, die diese Schriften lesen, dass ein unschuldiges Kind im Mutterleib bereits vom Bösen infiziert sein soll? In der Tat ist die Beantwortung dieser Frage nicht ohne die Annahme einer Präexistenz möglich. Nach den Schriften der christlichen Sibyllen, die Lactantius, der Kirchenvater des dritten Jahrhunderts, hochschätzte, wird der Antimessias die persönliche Inkarnation Belials, eines mächtigen Dämonenengels, der geistige „Sohn des Satans“, der dem Wesen seines Wahlvaters am nächsten steht, sein. Er wird eine überragende Intelligenz, ein übermenschliches Gedächtnis und ungeheure okkulte, parapsychische Fähigkeiten des Wunderwirkens und der Zukunftsschau besitzen, so dass er die meisten Menschen, die in seiner Zeit leben werden, davon überzeugen wird, die Inkarnation des einzigen Gottes zu sein. Seine Weltherrschaft wird er durch List erringen, um sich erst in den letzten dreieinhalb Jahren seines Wirkens in seiner ganzen Brutalität zu offenbaren.
In der Gestalt des Antimessias wird in unüberbietbarer Weise das zum Ausdruck kommen, was an Bosheit in jedem menschlichen Herzen verborgen schlummert. Das „Geheimnis der Bosheit“, von dem Paulus spricht, wird offenbar werden.