Die Explosion, 1982, Aquarell und Buntfarbstift
Die Explosion, 1982, Aquarell und Buntfarbstift

Über die Wahrheit

Wahrheit ist die Wirklichkeit in ihrem Ursprung.

Was ist Wahrheit? Im Volksmund bezeichnet der Wahrheitsbegriff lediglich die Übereinstimmung einer Aussage mit einem äußeren Sachverhalt.

„Brutus hat Caesar ermordet!“ Wer der historischen Überlieferung glaubt und beweisen kann, dass diese Aussage zutrifft, der hat nach populärer Auffassung „die Wahrheit“ gesagt. Nun gibt es aber eine ganze Reihe solcher „Wahrheiten“, über die sich streiten lässt. Um „Wahrheiten“ wie diese zu bestätigen, brauchen wir empirische Beweise, die oft auf tönernen Füßen stehen, da diese interpretationsbedürftig sind.
Anders steht es mit allgemeinen philosophischen oder wissenschaftlichen Sätzen. Diese sind entweder Definitionen gegebener Begriffe oder nähere Bestimmungen allgemeiner Sachverhalte, die mit diesen Begriffen zusammenhängen. Manche populärwissenschaftliche Aussagen sind schon bei näherer Betrachtung entweder gänzlich falsch oder enthalten lediglich Halbwahrheiten. So ist der Satz „Die Farbe ist nichts anderes als eine Wellenlänge“ in dieser Formulierung falsch, da er reduktionistisch ist. Er enthält aber eine Teilwahrheit, die in der Formulierung „Bestimmte Farben erscheinen bei bestimmten Wellenlängen“ die Wahrheit aussagen würde. Die beliebte Aussage sogenannter Esoteriker „Es gibt nichts Gutes ohne das Böse“ ist dagegen völlig falsch und obendrein gefährlich. Das genaue Gegenteil ist richtig: „Das Böse setzt immer die Existenz des Guten voraus, da es eine Negation und Perversion des Guten ist, das Gute aber ist unabhängig von allem Bösen, denn es enthält die absolute positive Kraft.“
Nun liegt in Sätzen über einen allgemeinen Sachverhalt, einen Gegenstand betreffend, nichts, was man nicht zuvor als zunächst unbewiesen in sie hineingelegt hätte. Sie sind erfahrungsabhängig, sind zwar oft in der Konnotation eines Wortes mitenthalten, erschließen sich aber nicht unmittelbar aus dem Begriff selbst oder aus der Gesamtheit seines Gegenstandes. Oft schreibt man diesem Gegenstand wesentliche Eigenschaften zu, die in Wahrheit gar nicht wesentlich und notwendig sind, sondern bloß aus wiederholter Erfahrung gewonnen wurden. Der allgemeine Satz „Der Schnee ist weiß“ gilt nur solange, wie man „weiß“ als ein wesentliches Kriterium des Schnees ansieht. Es ist ja durchaus auch ein schwarzer Schnee denkbar, dies hängt allein von den Bedingungen der Lichtreflexion ab. Unter abgewandelten Bedingungen wäre der Schnee schwarz. Weiß ist infolgedessen kein wesentliches Kriterium des Schnees, und das Weiß-Sein gehört somit auch nicht zu seiner Definition im physikalischen Sinne. Wir können beschreiben, was die Voraussetzungen sind, dass Schnee entsteht, und enthüllen damit zumindest einen Teil der Wahrheit, durch den zumindest verständlich wird, warum der Schnee unter den uns bekannten Verhältnissen weiß erscheint. Wie aber können wir sicher sein, dass das Wissen, das wir über bestimmte Gegenstände besitzen, tatsächlich deren Wesenseigenschaften beinhaltet und nicht vielmehr bloß ein Reflex dieser Wesenseigenschaften unter bestimmten, aber möglicherweise wechselnden Bedingungen darstellt? Wie können wir wissen, ob unsere Einsichten die eigentliche Wahrheit über diesen Gegenstand erfassen? Und so müssen wir uns am Ende immer wieder die Frage stellen: Was ist Wahrheit? Ich glaube, nach dem Gesagten können wir eine Antwort geben: Wahrheit ist das, was die Wirklichkeit in ihrem Ursprung ist. Die Wirklichkeit in ihrem Ursprung aber ist Gott. Sie ist nicht sinnlich erfassbar oder durch äußere Strukturen definierbar, sondern der innere Wesensgrund der Wirklichkeit. Wer sich mit ihm verbindet, erlangt auch den Zugang zur Wahrheit. Und wenn Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, dann sagt er damit nichts Geringeres aus, als dass er selbst die Verkörperung, die Inkarnation Gottes sei. Seine Zeitgenossen haben dies wohl verstanden. Im Hinblick auf Jesus gibt es in der Konsequenz nur zwei mögliche Haltungen: Entweder Liebe zu ihm und eine damit verbundene Nachfolge oder die Verkennung und völlige Ablehnung seiner Person. Man täusche sich nicht: Zahlreiche Menschen bekennen Jesus mit ihren Lippen, handeln ihm aber entgegengesetzt. Solche Menschen sind die eigentlichen Lügner oder Lügenhaften, die laut Offenbarung die schlimmste Form der Selbstverdammnis über sich heraufbeschwören. Zahlreiche Politiker neben den meisten Geistlichen sind darunter. Christus in lügenhafter Weise zu missbrauchen ist viel schlimmer, als ihn gemieden oder nie erkannt zu haben. Wahrheit ist die Wirklichkeit in ihrem Ursprung. Sie deckt alles auf. Sie nicht zu suchen oder gar zu leugnen bedeutet, der Willkür das Recht einzuräumen. Die Wahrheit impliziert auch ein Gesetz, das in Gott gründet, aber dieses Gesetz ist zugleich das Gesetz der inneren Freiheit.