Autodafé, 2004, Ölpastell
Autodafé, 2004, Ölpastell

Über Sadismus und Masochismus

Sadismus und Masochismus sind die beiden Pole natürlicher Sexualität, wenn man von echter Liebe absieht.

In der heutigen Psychologie besteht immer noch das gängige Vorurteil, dass Sadismus und Masochismus Perversionen der Sexualität seien, für die dann oftmals angebliche Traumatisierungen in der Kindheit verantwortlich gemacht werden.

Aber ein solcher Ansatz ist falsch. Sadismus und Masochismus sind die eigentlichen wesentlichen Pole aller Sexualität als solcher. Nun könnte man vereinfacht sagen: „Freilich gibt es Grundtendenzen in der Sexualität, und Sadismus und Masochismus sind nur deren perverse Extreme. Diese Grundtendenzen heißen: Unterwerfen wollen und unterworfen sein wollen.“ So hört man manche Wissenschaftler urteilen. Aber das wäre eben viel zu einfach gedacht. Tatsächlich war Sigmund Freud der Auffassung, dass in der Sexualität der weibliche Part als der Passive den Unterworfenen und damit den Masochistischen, der männliche dagegen als der Aktive den Unterwerfenden und damit den Sadistischen darstellen. Anhand zahlreicher Gegenbeispiele lässt sich zeigen, dass dies nicht den Tatsachen entspricht. Wie alle Polaritäten, so sind auch Sadismus und Masochismus nur die beiden Seiten einer Einheit, die im Menschen unabdingbar – seiner gefallenen Natur gemäß – zusammengehören. Gerade sehr autoritäre, tonangebende, selbstbewusst auftretende Männer führen oft ein Doppelleben als Masochisten, worin sie Ausgleich und Entspannung suchen. Oft wird die masochistische Orientierung schon im frühen Kindesalter, etwa mit zwei bis drei Jahren, angeregt. Eine angenehme Druckempfindung in den Geschlechtsteilen in Verbindung mit Balgereien und Unterwerfungsspielen können den zündenden Funken hervorbringen. Die Entdeckung des eigenen Körpers in der präpubertären Phase, wenn sie mit Abenteuer- und Fesselungsspielen verbunden ist, kann dieser Orientierung dann den Weg bahnen. Die Lust an Fesselungen oder Schlägen kann zu einer Obsession werden. Später, in der Früh- und Spätpubertät, können noch ganz andere Aspekte hinzukommen. Männer, die sich von Frauen oder Frauen, die sich von Männern abgelehnt fühlen, finden ihre Befriedigung darin, vom anderen Geschlecht bestraft zu werden als die einzige Art der Zuwendung, die sie erregt. Bestrafungswünsche können auch unabhängig von einem Sexualobjekt auftreten. Oft erfolgt der Wunsch nach Bestrafung bei Masochisten im Ausgleich auf eine besonders starke Aggression. Auch ein inneres Leeregefühl kann zu steigender Anspannung führen, die als unerträglich erlebt wird und durch starke zugefügte Schmerzen übertönt werden soll. Hier besteht eine Verbindung zu Borderline-Störungen. Es wird behauptet, sie würden sich verletzen, um sich körperlich spüren zu können, weil sie aufgrund ihres Traumas gefühllos geworden seien, aber sie tun es, um ihre Spannung zu übertönen, die durch die innere Leere erzeugt wird. Borderline-Persönlichkeiten sind jedoch in ihrer Kindheit traumatisiert worden, wobei das Erlebnis, nicht um ihrer selbst willen geliebt zu werden und eine liebenswerte Person zu sein, im Vordergrund steht. Ihre Selbstverletzungen dienen dazu, seelische Spannungen zu reduzieren und haben selten sexuelle Funktion. Masochisten haben ihnen gegenüber in der Regel kein schweres seelisches Trauma erlitten. Bisweilen kann allerdings, bei erfahrener Ablehnung und narzisstischer Kränkung, das chronische Gefühl einer vermeintlichen, zugeschobenen oder realen Schuld dominieren. Im Erleiden von Schmerz und Demütigung erhoffen sie sich eine außergewöhnliche Form der Aufmerksamkeit und Zuwendung und eine damit verbundene Steigerung ihres Selbstwertgefühls. Damit verbunden ist auch eine indirekte Abwertung des Peinigers, über den der Masochist sich innerlich erhebt. Es geht hier auch um die Überwindung des Schmerzes und eine darin errungene Größe, die der des Peinigers spottet. In vielen Fällen entspringt das Bedürfnis nach Strafe beim erwachsenen Menschen einem internalisierten Zorn, der durch Demütigung und Schmerzen gelöst wird und somit vor Schädigung anderer bewahrt.
Der Sadismus ist die Kehrseite des Masochismus. Hier überwiegt der externalisierte Zorn. Der Sadist sieht sich zu einem gewissen Grad selbst in seinem Opfer gespiegelt. Innerlich nimmt er manchmal selbst die Position seines Opfers ein. Aber eine andere Emotion tritt hinzu: Die des Zorns und manchmal des Hasses in Kombination mit der Lust an der Macht. Das Gefühl der Macht über ein lebendiges Wesen steht im Zentrum des Sadismus. Der Sadist glaubt, das Leben seines Sexualobjektes zu besitzen, wenn es in seinem Belieben steht, es zu beherrschen und leiden zu lassen, ihm im extremen Fall sogar den Tod zu geben. Das Gefühl der Macht ist hier ganz eng an sexuelle Gefühle gekoppelt.
Beide Pole sind in jedem Menschen mehr oder weniger stark vorhanden. Welcher von beiden im Erwachsenenalter schließlich den Ausschlag gibt oder überhaupt das Übergewicht gewinnt und offen zum Ausdruck kommt, ist immer auch das Ergebnis eines Entscheidungsbaumes und steht im Wechselspiel der Stärke des Zorns und moralischer Skrupel.