Der Fernste kann uns der Nächste sein.
Worin besteht der Unterschied zwischen der Nächstenliebe im Sinne Jesu und der Fernstenliebe im Sinne Nietzsches?
Dazu sollte erst geklärt werden, wer der Nächste ist. Der Nächste ist immer das konkrete Gegenüber, die konkrete Person, niemals eine anonyme Masse Menschen, als gäbe es eine allgemeine Menschenliebe unter Verzicht auf den konkreten Menschen. Der konkrete Mensch ist unabhängig von Nationalität, Gruppierung oder Weltanschauung zu achten. Eben dies hat Jesus mit dem Beispiel des barmherzigen Samariters gemeint.
So täuscht man sich auch über den Sinn der Nächstenliebe, wenn man jede Menge Spenden an anonyme Instanzen gibt, ohne konkret zu wissen, wieviel davon der eigentliche Empfänger erhält und wer der konkrete Empfänger eigentlich ist. Auch dazu lässt sich ein Ausspruch Jesu anführen: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon!“ Freunde kann man sich nur unter konkreten Menschen machen, die man selbst meint und kennt. Es ist nicht der Mammon selbst, der Freunde macht.
Was meinte Nietzsche hingegen mit „Fernstenliebe“, die er der falsch verstandenen Nächstenliebe der Christen gegenüberstellte? Er meinte damit die Liebe zu einem Menschen, der uns aufgrund seiner unterschiedlichen Kultur und Nation fern zu stehen scheint. Das ist aber ganz im Sinne Jesu. Es schwingt dabei auch der Gedanke mit, dass wir bei böser Umgebung und Verwandtschaft durchaus versucht sein dürfen unsere Nächsten auch in den Sternen oder in einer besseren Zukunft zu suchen. Selbst wenn die ganze Menschheit der Erde durch und durch böse wäre, sollten wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass es da noch andere Menschen gibt, weit in der Ferne, die unsere Nächsten sein können.