Der Augenschein, 1978, Buntfarbstift auf Pappe
Der Augenschein, 1978, Buntfarbstift auf Pappe

Über den Keim des Bösen

Die konkrete Angst vor den Folgen konkreter Vernichtung des Leibes widerlegt die Vorstellung des Todes als absoluter Vernichtung und eines damit verbundenen Eingangs in die Seelenruhe des Nichts.

Der Keim des Bösen ist in den meisten Menschen so stark, dass sie, wenn Gedankenkraft allein genügte, schon den größten Teil der Menschheit ausgelöscht oder in ein Zombieheer abhängiger Sklaven verwandelt hätten.

Nur die Grenzen und die Natur ihres Leibes hindern sie daran, derartige Ziele umzusetzen. Dasselbe gilt natürlich ebenso im Hinblick auf einen möglichen Suizid. Es gibt Menschen, die ihres Daseins auf dieser Erde so überdrüssig sind, dass sie sich längst auf einen Schlag vernichtet hätten mitsamt der ganzen Menschheit, wenn nicht die physische Natur ihres Leibes diesem Ansinnen Widerstand leisten würde. Die leibliche Natur leistet nicht nur Widerstand gegen die Ausführung des Suizids durch ihre physikalischen und biochemischen Voraussetzungen, sondern auch durch den Widerstand der Angst, die sich einstellt, sobald der Gedanke einer konkreten Zerstörung an sie herantritt. Und es ist nicht nur die Angst vor dem konkreten Sterbeprozess, der bei entsprechend gewählter Methode wohl überbrückbar wäre, es ist auch die Angst vor dem intuitiv antizipierten Zustand, der danach kommt. Wäre nach dem Tod tatsächlich „alles aus“, so bliebe die Angst im Intellekt und würde nur von diesem gespeist. So bedeutet aber – dies vermittelt uns die Angst – der physisch-leibliche Untergang viel mehr und Bedeutsameres als etwa nur den Eingang in ein absolutes empfindungsloses Nichts. Nur eine einzige Emotion kann die Schwelle dieser Angst überwinden: Grenzenlose Enttäuschung oder grenzenloser Hass auf die Verursacher des Elends, einhergehend mit Introjektion der Wut auf das eigene Selbst! Bekanntlich aber verdunkeln Hass und Wut die Vernunft und den Spürsinn für die eigentlichen Gefahren.