Jesusporträt, 1983, Ölpastell auf Ölpastellpapier
Jesusporträt, 1983, Ölpastell auf Ölpastellpapier

Über die Schwarz-Weiß-Malerei der Evangelikalen

Zwischen Himmel und Hölle breiten sich weitläufige Irrgärten aus.

Sowohl die alten Griechen als auch die alten Juden glaubten an ein jenseitiges Reich, das in drei Hauptbereiche unterteilt war: Das Paradies (oder Elysium) für die gerecht Gesinnten, den mittleren Scheol (oder Hades) für den Durchschnittsbürger und den unteren Scheol (oder Tartarus) für den Verbrecher und hartherzigen Menschen.

Spätestens seit dem Kirchenvater Augustinus wurde aber diese Unterteilung der Astralreiche abgeschafft und der Zustand des Jenseitigen knallhart in Himmel und Hölle geschieden. Die Idee der Qualhölle, gleich unmittelbar nach dem Tod, war geboren, damit aber auch ein treffliches Machtinstrument der Kirche zur Unterdrückung der Menschen. Vergessen wurde in der Theologie des Augustinus, dass nach neutestamentlicher Lehre die Scheidung der Menschen in „Böcke“ und „Schafe“ erst bei der Wiederkunft Christi endgültig erfolgen wird. Da nun aber Augustinus den Beginn des „Tausendjährigen Reiches“ mit der Entstehung des staatlichen Kirchenchristentums annahm und obendrein den Tartarus (katholische Hölle) als das unterste Zwischenreich nicht von der Gehenna unterschied, fühlte er sich zu einer solchen Ideologie gezwungen. Die katholische Kirche versuchte freilich, die schrecklichen Konsequenzen dieser Lehre durch die Einführung des Fegefeuers als Läuterungsmöglichkeit für die noch relativ unentschiedenen Ungläubigen oder den mit Sünden belasteten Gläubigen abzuschwächen. Aber der Augustiner Luther, gefolgt von Calvin, schaffte auch dieses noch ab. Der akademische Grundgedanke für die Abschaffung der Zwischenreiche nach dem Tod war folgender: Da Gott unendlich sei, habe der Mensch mit jeder geringsten Sünde sich sofort unendlich weit von Gott entfernt. Außerdem sei der Mensch infolge des Sündenfalls Adams und seiner Vererbung bereits im Zustand der Sünde geboren und könne gar nicht anders als zu sündigen. Hier sollte man aber sogleich die Frage stellen: Hatte es Adam also schon vor seinem Sündenfall vermocht, aus seinem natürlichen Zustand heraus, die Unendlichkeit zu überbrücken, die ihn als Geschöpf von Gott trennte? Und die zweite Frage: Was können wir als damals angeblich noch gar nicht existierende Wesen für Adams Sündenfall? Kann der gerechte Gott, aus dessen Logos wir hervorgegangen sind, uns unverschuldet schon bei unserer Erschaffung mit der Sündenneigung der Vorfahren infiziert haben? Die evangelikalen Prediger, die Luthers Erbe in das Extrem fortentwickelt haben, wissen darauf nicht nur keine Antwort, sie bemühen sich nicht einmal darum. Sie bedrohen den traditionellen, unentschiedenen Normalbürger, statt ihm das Wesen und die Liebe Jeschuas nahezubringen, sogleich mit der ewigen Qualhölle und machen Jeschua in seiner Hoheit und Heiligkeit damit zur Karikatur. Sie überfordern überhaupt die Menschen, die oft noch gar nicht zu einer eindeutigen spirituellen Entscheidungsfähigkeit herangereift sind und erwecken in ihnen Abscheu gegen den christlichen Glauben, so dass sie verleitet werden, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Wie glücklich, so könnte man in Anbetracht der evangelikalen Lehren fragen, müssen doch all die Generationen vor Jesus gewesen sein, denn sie hatten ja alle noch die Chance, auch nach ihrem Tode von Jesus gerettet zu werden, da sie ihn im Leben niemals kennenlernen konnten, und selbst der sündige König Saul, obwohl er David verfolgte und sich weigerte, die Anweisungen Gottes zu dessen Zufriedenheit auszuführen, kam nach seinem Tod nicht sofort in eine Qualhölle, sondern wurde „zu seinen Vätern versammelt“, zumindest sofern man der Vorhersage des aus dem Totenreich herbeigerufenen Propheten Samuel Glauben schenken sollte. Nach der Lehre evangelikaler Prediger hingegen haben die Nachgeborenen dieses Glück nicht; sie sind nach ihrem Tod auf ewig verdammt, sofern sie während ihrer Lebenszeit nur irgendwie von Jesus gehört, ihn aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht rechtzeitig und ausdrücklich als ihren Erlöser angenommen haben. Wie steht es dann aber mit all den falschen Jesussen, die ein Großteil der Evangelikalen stets ohne nachzudenken für sich angenommen haben? Auf welchen dieser Erlöser werden sie sich berufen, um ihrem Gericht zu entgehen?