Sinn und Zweck im Tierreich sind verschieden.
Ein Ameisen- oder Termitenstaat ist der Ausdruck einer besonders tiefen, problematischen Seite eines gleichsam freischwebenden, viel weiteren Bewusstseins, das über ihn herrscht.
Dieses Bewusstsein sieht sich gezwungen, etwas unter die Bedingungen einer natürlichen Umwelt einzufügen, was selbst nicht im Sinne der irdischen Verhältnisse liegt. Schaut man sich einen solchen Termiten- oder Ameisenstaat bezüglich seiner Organisation an, so entdeckt man allerlei nützliche und sinnvolle Einrichtungen, die zur Erhaltung des Staates dienen, wobei aber ungeklärt bleibt, welchen tieferen Sinn das bestimmte Sosein seiner Organisation erfüllen soll. So sinnvoll und zweckmäßig die Verrichtungen der einzelnen Insekten auch erscheinen mögen, so kann doch die gesamte Organisation in ihrer besonderen Weise ganz gewiss nicht durch Anpassung an die Umweltverhältnisse erklärt werden, vielmehr setzt diese Anpassung das Vorhandensein einer bestimmten Organisation voraus. Und so könnte man sagen, dass die äußere Erscheinung der Insekten, die Besonderheiten ihrer Gestalt und ihrer Handlungsweisen, eine direkte Folge ihrer Eingliederung in die natürlichen Gegebenheiten sind, nicht aber das, worauf der äußere Bau der Organisation als Wesenhaftes deutet. Mit diesem hat es eine ganz andere Bewandtnis, und man verliert leicht gerade das Wesentliche aus den Augen, solange man seinen Blick nur auf das unmittelbar Einleuchtende, Tatsächliche richtet. Im Menschen aber liegt nun einmal der Drang, nach dem Sinn von etwas zu fragen, und mit dem Sinn ist keineswegs der auf außermenschliche Verhältnisse übertragene, menschlich bürgerliche Zweckbegriff gemeint. Denn der bürgerliche Zweckbegriff entspringt ja der Gesinnung eines Menschen, dessen Fassungsvermögen nur das unmittelbar Vorhandene, im gegeben Augenblick Nützliche und Dienliche begreift, wie überhaupt der ausgesprochen bürgerliche Mensch meist nur ein Diener anonymer Autoritäten ist, der, statt aus ethischer Einsicht heraus, nach vorgedachten, gesetzmäßigen Formen handelt. Sinn und Zweck sind niemals zu verwechseln. Denn während der Sinn das eigene, lebendige, zukunftsträchtige Wesen einer Sache meint, bezieht sich der Zweck auf ein immer schon augenfällig Vorhandenes. Der Sinn eines Wortes meint dessen eigene, über den bloßen Wortlaut als Etikett hinausweisende Bedeutung, der Zweck eines Wortes ist zu informieren, das heißt über einen Tatbestand Auskunft zu geben, der die Anweisung oder die Grundlage einer Tat sein könnte. Der Zweck eines Wortes ist also ein ganz anderer als sein Sinn, ja geht oft völlig an seinem wirklichen Sinn vorbei auf etwas ganz anderes. Das Handeln des nur zweckmäßig denkenden Menschen ist blind, insofern seine Taten auf Ziele gerichtet sind, deren Sinn und Ursprung er meist nicht kennt. Der Sinn bleibt unausgesprochen im Hintergrund und wird vom Zweck verdrängt, der gänzlich seine Stelle einnimmt. Wer einiges Gefühl für die Weisheit hat, mit der die Worte unserer Sprache gebildet sind, merkt schon am Klang der beiden Worte „Sinn“ und „Zweck“ deren grundverschiedene Bedeutung. Während nämlich „Sinn“ ein innerlich bewegter Wortlaut ist und mit „sinnen“ und „wahrnehmen“ zu tun hat, weshalb auch die Werkzeuge unserer Wahrnehmung „Sinnesorgane“ genannt werden, kurzum all das bezeichnet, was mit dynamischer Tätigkeit verbunden ist, bringt der Wortlaut „Zweck“ das Gegenteil zum Ausdruck, nämlich etwas statisches, in sich geschlossenes, endgültig gesetztes, ja geradezu plumpes und klotzartiges. Selbst das Verbum „bezwecken“ hat etwas von einer in sich abgeschlossenen harten, brutalen Statik.