Gemälde 'Betender', 1984, Ölpastell
'Betender', 1984, Ölpastell

Zum Unterschied von Religion und Glauben

Religion und Glaube (im Sinne von Vertrauen auf einen inneren Grund, der sich nicht nur auf äußere Beweise gründet) sind deutlich verschieden.

Jesus ist kein Sektengründer oder Gründer einer religiösen Gemeinschaft, wie ihn viele missverstanden haben. Freilich gründete er eine Kirche des Gottesreiches, die der weltlichen Amtskirche nicht entspricht.

Als der wahre menschgewordene Gott ist er die Verkörperung der Wahrheit und Gerechtigkeit. Wer auch immer für Gerechtigkeit und Wahrheit streitet und nach deren Richtlinien sich selbst hinterfragt, wird zu ihm finden und von ihm geführt werden. Denn wer nicht gegen ihn ist, ist für ihn. Wer aber gegen ihn ist, der ist auch gegen Wahrheit und Gerechtigkeit. Allein schon daran wird erkennbar, dass der Geist Jesu, der Heilige Geist, mit Religion nichts zu tun hat. Der Ausdruck Religion (lateinisch Religio) leitet sich von dem lateinischen „religere“ ab und bedeutet soviel wie „immer wieder lesen, immer wieder etwas praktizieren“, bezeichnet also einen rituellen Gewohnheitsbrauch, der den Menschen spirituell reifen lassen und sein Vertrauen zu Gott methodisch fördern soll. Ein Gewohnheitsglauben ist nun aber kein bewährtes Vertrauen und hat auch nichts mit Wahrhaftigkeit zu tun. Von daher ist es auch gerade die Religion, mit der Jesus aufräumt. Man muss „Religion“ von „Glauben“, sprich von Gottvertrauen, unterscheiden. Religion ist mit Aberglauben, einer falschen und blinden Art des Vertrauens, verwandt. Wer Religion praktiziert, wendet eine Technik an, um sich selbst zu erlösen. Wer im Geist und in der Wahrheit betet, traut dem eigenen Ego nichts, aber Gott alles zu. Er vertraut nicht auf sich selbst, aber auf seine geistige Führung. Daher sind Gebete im Sinne Jesu Dialoge mit Gott und keine Beschwörungs-, Zauber- oder Selbsterlösungsformeln. Daher muss der Inhalt dessen, worum wir beten, ernst genommen werden. Wer das Vater-Unser betet, muss es ernst nehmen, sonst wäre dieses Gebet ein gebetsmühlenartiger Religionsakt.
Wenn es also heißt: „Dein Reich komme, in den Himmeln wie auch auf Erden“, dann ist klar, dass dieses Reich auch auf die Erde kommen soll, dass auch das Reich des Messias auf der Erde gemeint ist, dass also jede allegorische Auslegung der alttestamentarischen Propheten nur dazu führt, das Vater Unser nicht ernst zu nehmen. Der klassische Katholik und der klassische Protestant glauben nicht an ein künftiges Gottesreich auf der materiellen Erde, in dem Gerechtigkeit herrschen wird.