Das arkanische Zeitalter, 1982, Buntfarbstift
Das arkanische Zeitalter, 1982, Buntfarbstift

Zur Auslegung biblischer Schriften

Die biblischen Schriften wollen nicht allegorisch, sondern wörtlich, und zwar nach dem besten Sinn des Wortes ausgelegt werden, doch haben manche Worte wie „der Tag“ oder „tausend Jahre“ eine übergeordnete, symbolische Bedeutung, was auch für große geistige Bilder zutrifft.

Seit den Kirchenschriftstellern Clemens von Alexandrien und seinem Schüler Origenes hat sich in den christlichen Konfessionen die Praxis durchgesetzt, biblische Texte in der Regel allegorisch auszulegen …

… und damit ihren Sinn und ihre Schärfe zu verwässern. Der Kirchenvater Augustinus übernahm diese Tradition, indem er zum Beispiel den Beginn des in der Offenbarung prophezeiten tausendjährigen Friedens zwischen Gott und den Menschen mit der Gründung der Weltkirche gleichsetzte. Um dies glaubhaft zu machen musste er freilich sämtliche Offenbarungen der alttestamentarischen Propheten rein allegorisch auslegen und ihnen dadurch jede Schärfe nehmen. Beispiele sind der prophezeite Frieden zwischen Mensch und Tier und den Tieren untereinander, die fehlende Säuglingssterblichkeit, die Verlängerung der menschlichen Lebensdauer auf mehrere hundert Jahre, die ausdrückliche Nennung Jerusalems als Kulturzentrum der Welt samt den genauen Angaben geographischer Verhältnisse und geologischer Veränderungen. Auch Augustinus wüsste es heute, nach so vielen Beweisen, dass wir in keiner Zeit des Friedens zwischen Gott und den Menschen leben, durchaus besser, er konnte die kommenden furchtbaren Zustände nach dem vierten Jahrhundert aber auch nicht voraussehen. Die heutigen kirchlichen (protestantischen und katholischen) Lehrbeauftragten, die sich in den Dienst der augustinischen Tradition stellen, müssten es nach siebzehnhundert Jahren eigentlich weit besser wissen. Ihre Behauptung, wir lebten heute schon in dem in der Johannesoffenbarung verkündeten „tausendjährigen Reich“ ist unentschuldbar.
Die biblischen Schriften wollen, wo sie von Ereignissen, ob in Vergangenheit oder Zukunft, berichten, wörtlich verstanden werden. Ausnahmen gelten nur dort, wo ausdrücklich von geistigen Entsprechungsbildern und somit Symbolen die Rede ist oder wo größere Zahlen genannt werden. So steht die Zahl Tausend, wie sie Johannes in seiner Offenbarung für die Dauer des Friedens auf Erden zwischen Gott und dem Menschen unter der Herrschaft des Messias angibt, symbolisch für einen viel längeren, nicht zu bestimmenden Zeitraum. Wäre dem nicht so, so ließe sich das Ende dieser Friedenszeit genau berechnen, was nicht einmal für die Wiederkunft Jesu zu Beginn dieser messianischen Zeit möglich ist, wie Jesus selbst bekanntgab. Und natürlich hat diese Zeit noch nicht begonnen.