Tag des Herrn, 1985, Buntfarbstiftzeichnung
Tag des Herrn, 1985, Buntfarbstiftzeichnung

Zum Unterschied von Hass und Zorn

Es gibt einen gerechten Zorn, aber keinen gerechten Hass.

Es ist eine interessante Tatsache, dass das Wort „Hass“ in der Bedeutung, die es in den modernen Sprachen hat, in der Bibel nicht vorkommt.

Als Substantiv taucht es überhaupt nicht auf und wo von „hassen“ die Rede ist, da handelt es sich lediglich um den Akt einer Zurückweisung in einer relativen Hinsicht. So heißt es in der Bibel, Gott habe Esau „gehasst“, ein Satz, der von dem Reformator Calvin völlig irrtümlich als Beweis für seine Prädestinationslehre aufgefasst wurde. Esau wird in diesem Vers nicht verdammt, sondern nur seine Bestimmung zu einer heilsvermittelnden Mission zurückgewiesen. Diese wird auf Jakob übertragen.
Während also der Hass in seiner modernen Bedeutung biblisch kein Thema ist, ist andererseits vom „Zorn Gottes“ die Rede. Hass und Zorn können einander als grundverschieden gegenübergestellt werden. Während der Zorn die nachdrückliche und entschiedene Zurückweisung einer Handlung oder eines Gegenstandes beinhaltet und durch den Verstand kontrolliert ist, handelt es sich bei dem Hass primär um eine unkontrollierte Emotion, die nicht auf Richtigstellung einer untragbaren Situation, sondern auf die unbedingte Vernichtung des Gegenstandes oder der Person ausgerichtet ist. Ursprünglich ist der Hass immer eine Reaktion auf eine übermächtige Angst vor den Aktionen des Gegners. Da der Hass Vernichtung intendiert, geht er nicht darauf aus, für echte Gerechtigkeit zu sorgen und einen ins Ungleichgewicht geratenen Zustand wiederherzustellen. Es gibt einen gerechten Zorn und einen ungerechten, wenn auch vielleicht vermeintlich gerechten Zorn, aber es gibt keinen gerechten Hass. Hass auf eine Person zu empfinden und dieser Emotion nachzugeben, ist immer von Übel. Aber es gäbe keine wahre Liebe ohne gerechten Zorn. Nur ist der Mensch aus eigener Kraft nicht in der Lage gerecht zu sein. Es ist gut, Zorn zu empfinden, es ist besser, diesen abzugeben an den gerechtesten Richter.