Das große Geheimnis, 1982, Buntfarbstiftzeichnung
Das große Geheimnis, 1982, Buntfarbstiftzeichnung

Zur Intelligenztestung

Was man in der heutigen Psychologie unter Intelligenz versteht, ist wenig mehr als ein Cluster von Problemlösestrategien des kombinatorisch arbeitenden Werkzeugverstandes und hat mit den echten geistigen Fähigkeiten des Menschen wenig zu tun.

Der kombinatorisch agierenden Werkzeugintelligenz, die man unter eine messbare Kontrolle bringen will, steht eine echte, urteilsfähige Intelligenz gegenüber, über die jeder Mensch prinzipiell verfügt, die mit Einsicht in die lebendigen inneren Zusammenhänge der Dinge zu tun hat, und die er berufen wäre auszubilden.

Da die rein kombinatorische Intelligenz nach vorgegebenen Algorithmen der Tätigkeit eines Computers entspricht, haben ihre Ergebnisse im Hinblick auf die wahren geistigen Fähigkeiten des Menschen nur geringen Wert. Sie entspricht nicht der lebendigen, schöpferischen Intelligenz, die die Quelle aller echten Einsicht ist. Diese Einsicht ist von einer tieferen Logik getragen, die sich aus der Wesensbetrachtung der Dinge ergibt. Es gibt eine abgeleitete kombinatorische Logik, die zu einer formalisierten Logik geworden ist, die gelernt und angewandt werden kann, und jene höhere Logik nach dem innewohnenden geistigen Sinn, deren Erkenntnis sich aus dem Phänomen selbst erschließt, danach aber nach allen Gesetzen der formalen Logik unwiderlegbar begründet werden kann. Um in der letzteren Logik zu denken, ist es erforderlich, sich vom Phänomen selbst führen zu lassen und diesen Prozess der Führung nicht vorzeitig selbst zu beenden. Wir Menschen neigen dazu, die Phänomene nach vorgegeben Schablonen zu vergewaltigen, bevor wir sie zu Ende gedacht und phänomenologisch ergründet haben. In diesem Fall verselbständigt sich der Verstand in einer Begriffsbildung, die unabhängig vom Phänomen ihren eigenen Regeln folgt.
Der ursprüngliche Intelligenztest war ein Verfahren zur Bestimmung eines Entwicklungsquotienten allgemeiner kognitiver Fertigkeiten während des Gehirnreifungsprozesses zwischen dem sechsten und zwanzigsten Lebensjahr. In ihm ließen sich sowohl Retardierung als auch Akzeleration bestimmen und in Punktwerten ausdrücken, die beschleunigte Entwicklung allerdings nur innerhalb der gesetzten Bandbreite von zwanzig (ursprünglich sogar nur 16 Jahren). Eine beschleunigte kognitive Entwicklung in der Kindheit ist keine Garantie für einen gleichen allgemeinen Intelligenzvorsprung im Erwachsenenalter. Man kann sagen, dass die natürliche Hirnreife des Menschen etwa im 21. Lebensjahr ihren Abschluss findet. Danach kommt es auf die Initiative des einzelnen Menschen an, seine Urteilskraft und kognitiven Fähigkeiten weiter auszubilden. Das höchste Ziel ist es, Weisheit zu erlangen. Weisheit hängt aufs Innigste mit Einsicht in die wahre Natur der Dinge und des Geistes zusammen. Natürlich sind die meisten Testkonstrukteure von einem Glauben an einen den Dingen zugrundeliegenden Wahrheitsfaktor weit entfernt. Eher noch glauben sie an einen allgemeinen Faktor der Intelligenz, wie es etwa Thurstone oder Spearman in ihrem „G-Faktor“ getan haben. Die Erfahrung hat indessen gezeigt, dass es einen solchen G-Faktor der Intelligenz nicht gibt. Die kombinatorischen Möglichkeiten kognitiver Leistungen und Leistungsgebieten sind nahezu unbegrenzt. Daher liegt es im Belieben des Testkonstrukteurs die Kriterien für Intelligenz jeweils zu definieren. Aus Gründen der Testkonstruktion wurde Intelligenz akademisch-wissenschaftlich als Problemlöseverhalten festgesetzt und definitiv auf situative, formallogische und mathematische Probleme eingegrenzt, ungeachtet der Tatsache, dass es auch hier oft ganz neue kombinatorische Möglichkeiten gibt, zumal es entwicklungspsychologisch ohne eine Reihe ungeprüfter Vorannahmen gar nicht möglich ist, ein allgemeines Entwicklungsalter nach dem 16. bzw. 21. Lebensjahr festzulegen und daraus einen Quotienten zu errechnen.
In den herkömmlichen Intelligenztests steht daher ein sehr kulturabhängiges Knowing-How im Vordergrund und Gedächtnis, Konzentration, Ausdauer und Schnelligkeit, die allenfalls als Werkzeuge der Intelligenz betrachtet werden können, aber nicht als ihr eigentliches begriffliches Wesen, ja im Grunde mit Intelligenz gar nichts zu tun haben, spielen in ihnen daher eine bevorzugte Rolle. Urteilsvermögen, Kreativität und Einsichtsfähigkeit in die wahren Zusammenhänge von Sachverhalten werden in ihnen vernachlässigt. Die letzteren Fähigkeiten ließen sich auch gar nicht in Punkten und Zahlen erfassen. Und doch sind es gerade sie, die Intelligenz im eigentlichen und menschlichen Sinne ausmachen. Die wahren Sachverhalte der Dinge lassen sich allein durch kombinatorisches Denken bei noch so gutem Gedächtnis, bester Konzentration und äußerster Schnelligkeit nicht ergründen und eine hohe Testintelligenz ist daher niemals eine Garantie für richtiges Denken und die Wahrheit ihrer Ergebnisse.