Solarier, 1986, Buntfarbstiftzeichnung
Solarier, 1986, Buntfarbstiftzeichnung

Zur Tierquälerei

Tierquäler sind immer auch potentielle Menschenmörder, das Umgekehrte gilt meistens nicht.

Wer imstande ist, Tiere zu Tode zu quälen, ist bei passender Gelegenheit auch ohne weiteres fähig, Menschen zu quälen und zu ermorden.

Zahlreiche Triebtäter üben zuvor an Tieren, bevor sie zu Menschen übergehen. Das Umgekehrte muss dagegen nicht der Fall sein. Es gibt viele Menschenmörder, die imstande wären, aus Hass und Verbitterung zahllose Menschen umzubringen, auf der anderen Seite aber weichherzige Tierfreunde sind. Solche Menschen sehen in den Tieren das menschliche Urbild, das sie beim Anblick von wirklichen Menschen, sei es aus Ressentiment, sei es aus bitterster Erfahrung, bereits verloren haben. Kein anderes Wesen kann so sehr entmenschlicht werden wie jene Menschen, in denen man, ob zurecht oder zu Unrecht, die Verkörperung des Bösen wittert. Jede beobachtete Tierquälerei ist daher ein schlimmes Gefahrenzeichen, denn wer vor Tieren keinen Respekt hat, hat ihn auch vor Menschen nicht. Das bloße Töten von Tieren zu Nahrungszwecken oder zur Erlösung von Leiden ist dabei natürlich von mutwilligem Quälen streng zu unterscheiden. Allerdings sollte sich jeder Mensch überlegen, ob er auch fähig wäre, diejenigen Tiere selbst zu töten, die er isst. Denn jeder, der sich dazu entschließt, Tiere zu essen, ist in der moralischen Pflicht sich zu fragen, ob er die betreffenden Tiere auch selbst töten könnte. Wenn er es anderen überlässt, ist er der moralischen Frage nicht enthoben, ob es richtig ist, dass diese Tiere für den Verzehr getötet oder dafür gezüchtet werden. Der Widerwille, ein Tier zu töten weist darauf hin, dass der Betreffende in seinem Inneren moralische Zweifel an dieser Tötung hegt.
Es ist die Pflicht eines Staates, einen Tierquäler hart zu bestrafen und unter dauerhafte Beobachtung zu stellen. Die Gefahr, dass ein Tierquäler zum Menschenmörder wird, wächst mit der Höhe und Komplexität der Leibesorganisation derjenigen Tiere, die er quält.
Von vielen Menschen, die sich mit Kant beschäftigt haben, wird unterstellt, dieser habe Tiere nur als Übungsobjekte betrachtet, an denen der Tierquäler seine mörderischen Impulse der Menschenverachtung schule, um diese danach umso gezielter an Seinesgleichen auszuleben. An sich und ohne diese Gefahr habe die Tierquälerei keine moralische Bedeutung, da Tiere keine Rechte besäßen und als Objekte zu behandeln seien. Dies ist ein Irrtum, der auf eine falsche Interpretation dessen, was Kant meinte, zurückzuführen ist. Auch Kant billigte den Tieren als empfindenden Wesen durchaus Rechte zu. Er war kein Anhänger Descartes, der in den Tieren Reflexmaschinen sah. Vielmehr vertrat Kant im Erbe Emanuel Swedenborgs, von dessen Visionen er sich am Ende allerdings scharf distanzierte, in seinen „vorkritischen“ Schriften eine Form der Evolutionslehre, wonach Menschenseelen sich stufenweise aus den Naturreichen entwickeln. Das Wie der Evolution ließ er allerdings offen. Auch Goethe bezeichnete die Erde und andere Planeten als Ausreifungsorte für Menschengeister.