Erst die Erkenntnis des „Ich-Bin“ ermöglicht eine reflektierte und selbstständige Stellungnahme zur Welt und zum Weltganzen.
Unsere Zeit, eine Zeit des gewaltigen geistigen Umbruchs, ist einem Wahrheitsrelativismus ohnegleichen verfallen.
Viele Menschen bezweifeln, dass Wahrheit überhaupt existiert. Somit bezweifeln sie dann auch, dass „Welt“ existiert, denn sie machen ihre Existenz als Ganzes vom Auge des jeweiligen Betrachters abhängig. Nun dürfte es eine allgemein bekannte Tatsache sein, dass unser Wissen und Erkennen auf dieser Erde nur Stückwerk sein können. Auch alle unsere Begriffe sind nur Stückwerk angesichts der wahren Wirklichkeit, die wir zwar allmählich erschließen, nie aber völlig begreifen können. Aber als Menschen sind wir uns auch darüber im Klaren, dass wir aus eigener Kraft nicht der absolute Mittelpunkt und das maßgebende „Ich-Bin“ sein können, als dass wir uns primär und notgedrungen erscheinen. Als Menschen sind wir in der Lage, uns in die Perspektive anderer Menschen und Wesen zu versetzen und uns von außen zu bespiegeln. Wir sind „exzentrische Wesen“, wie der Philosoph und Anthropologe Helmut Plessner sagte. Tiere dagegen betrachten sich selbst zwar als Glieder ihrer erlebten Umwelt, aber stets als deren absoluten Mittelpunkt. Sie können ihr leibliches Selbst nicht transzendieren. Spiegelexperimente haben ergeben, dass sie sich selbst im Spiegel nicht erkennen. So versucht eine Katze, wenn sie ihr Spiegelbild sieht, hinter die unsichtbare Trennwand zu greifen, um ihren vermeintlichen fremden Artgenossen zu erhaschen. Erst bei den Schimpansen ist die Schwelle einer Art von „Selbsterkenntnis“ erreicht. Aber auch hier handelt es sich nicht um ein vollständiges Gewahren des eigenen Körperselbst im Spiegel. Es handelt sich vielmehr um ein spielerisches Experimentieren mit der Erscheinung im Spiegel. Da das gespiegelte Abbild alle eigenen Bewegungen nachvollzieht, sich also offenbar gezielt manipulieren lässt, findet der Menschenaffe seine Lust daran, dies auch zu tun. Eine Übertragung auf das eigene leibliche Selbst erfolgt nur indirekt. Durch schnelle Anpassung und Angewöhnung entdeckt der Schimpanse, dass sein Spiegelbild in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seinen Leibesfunktionen steht, und wenn er Rudimente der Taubstummensprache erlernt, so gibt er seinem Spiegelbild oder der Fotografie seines Gesichtes denselben „Namen“, den seine menschlichen Betreuer und Gefährten für ihn selbst als Wesenseinheit bereithalten.
Wir können also sagen, dass je mehr die Leibesorganisation einer Tierart der des Menschen ähnelt, mit dieser auch ein zunehmendes Bewusstsein in Richtung einer reflektierten Selbsterkenntnis auf den Weg gebracht wird, die aber erst im Menschen ihr Ziel erreicht, die Sinneserfahrung und deren Eindrücke auf ein Ich-Bin hin und somit auch auf ein lebendiges Du zu transzendieren.