Leistungsorientierte Christen stehen unter dem Dauerdruck ihres fordernden Gottesbildes und neigen dazu, das ganze Leben als Leistungs- und Leidensweg zu verstehen.
Leistungsorientierte Christen, die schon seit frühester Jugend darauf getrimmt wurden, bestimmte soziale Anforderungen nach herkömmlichen Leistungsstandards zu erfüllen, stehen oft in dem Irrglauben, dass ebendiese Standards auch den Maßstäben Gottes entsprächen.
Sie stehen oft ihr ganzes Leben unter dem Druck, stets etwas geben und opfern und auf eigene Pläne verzichten zu müssen, um etwas Höheres von Gott geschenkt zu bekommen. Meist haben sie gar keine Vorstellung davon, was dieses Höhere bedeuten könnte. Eigentlich erhoffen sie sich durch ihre Leistungen nur die Ruhe vor der ständigen Fortsetzung von Leistungsanforderungen, die ihnen durch ihren sozialen Kontext und nach ihrer Meinung daher auch von Gott auferlegt werden. Durch Pflichterfüllung ein ganzes Leben lang glauben sie, erst nach ihrem physischen Tod diese von ihnen erstrebte innere Ruhe erlangen zu können. In ihrem Denk-Sinn ist „opfern“ stets mit mehr oder minder schwerem Leiden verbunden. Insofern sei der Mensch, solange er auf dieser Erde lebt, geradezu zum Leiden verpflichtet. Muss das denn sein? Kann oder sollte Geben dem Gebenden nicht auch Freude machen? Sollten oder dürfen wir unsere Art des Gebens auch nur entfernt mit dem Leiden vergleichen, das mit dem Erlösungsopfer Gottes in Jesus verbunden war? Sind solche Vergleiche, die der leistungsorientierte Christ unwillkürlich versucht ist, vorzunehmen, überhaupt berechtigt?
Eine Gleichsetzung von Geben mit Opfern ist anzuzweifeln. Freiwilliges Geben ist ein Vorgang, der Freude bereitet und nicht Leiden schafft. Allein die Nichtannahme oder Pervertierung des aus freiwilligem Herzen Gegebenen durch den Empfangenden kann beim Gebenden mit echtem Leiden verbunden sein.
Sicherlich können Umstände eintreten, die das Geben erschweren und den Willen zu geben lähmen, und Widerstände, die dabei überwunden werden müssen, um mit diesem Willen in Einklang zu sein, auch damit verbundene Zweifel, ob das Geben sinnvoll ist, aber betrifft dies den Vorgang des Gebens als solchen? Kennt auch Gott derartige Widerstände des Gebens? Opfert Gott etwas, indem er gibt? Sicherlich nicht. Gott gibt ständig, aber er „vergibt“ sich dabei nichts. Sein Geben ist mit Freude verbunden, denn er selbst ist seinem Wesen nach Freude und Liebe.
Ja, es gibt Situationen, die echte Opfer erfordern, insofern, als sie mit Verzicht, persönlichen Einschränkungen und Leiden verbunden sind. Sie treten besonders bei Rettungsaktionen, schweren Erziehungsproblemen, Verlusterlebnissen, Behinderungen und chronischem Krankenstand auf. Aber nur diejenigen sind zu solchen Opfern fähig, die vorher schon zur Genüge – letztlich durch Gott – empfangen haben, um selbst geben zu können. Bei Menschen, bei denen das noch nicht der Fall ist, werden durch Überforderung zumindest psychische Leiden, oft aber auch körperliche Schäden auftreten. Die Frage, die sich dabei stellt, ist die, ob sie dadurch einem inneren Frieden und ihrer geistlichen Erlösung näher kommen, wie Opfer-orientierte Christen mutmaßen. Ich denke daher: Durch ihre grundsätzliche Bereitschaft, das Gute auch in außerordentlichen Situationen zu tun, gewiss, aber nicht durch ihre dadurch verursachten Leiden als solchen. Letztere müssen erst geheilt werden. Wer aber die Haltung einnimmt, man müsse recht viel leiden und ein ganzes Leben lang Verzicht üben – möglicherweise auf das, was Gott selbst mit der Aufgabe, es zu entfalten, in uns hineingelegt hat –, um erst nach diesem verzichtreichen Leben reich belohnt zu werden, läuft Gefahr, eine Kaufmannsmoral zu vertreten, nach dem Motto: „Ich gebe Gott, damit Gott bereit ist, mir zu geben. Ich gebe ihm einen geringeren Wert, damit er mir einen höheren Wert geben kann.“ Damit kehrt er die wahren Verhältnisse um. Er vergisst, dass Gott der Geber ist und dass er ohne die Gabe Gottes und Führung durch Gott nichts tun kann, was von überdauerndem Wert ist. Wir können Gott nichts geben, wir können nur seinen Willen erfüllen, indem wir diesen zu dem Unsrigen machen. Der Christ soll kein Lohndiener, kein Tagelöhner, sein. Darum mag er um die Führung und die Kraft und Fülle durch Gott bitten, nicht aber aufs Geratewohl draufloswerkeln oder masochistisch auf läuternde Leiden hoffen, in der Erwartung auf gleichsam magisch von außen geliehenen Lohn.