Mantichorenehepaar mit Kind, 2011/14/21, Acryl auf Leinwand
Mantichorenehepaar mit Kind, 2011/14/21, Acryl auf Leinwand

Zur Qualität des Bewusstseins bei Menschen und Tieren

Die Intensität des Lebens und Erlebens vertritt bei Tieren die Klarheit des menschlichen Selbstbewusstseins.

Hat sich der Mensch einmal mit seinem Bewusstsein dem Innenleben eines Tieres, welches es auch immer sei, empathisch angenähert, so wird er erstaunt sein über die gewaltige Kraft in diesem Bewusstsein, die so übermächtig ist, dass der Mensch mit seinem Selbstbewusstsein sich nicht darin einfinden kann.

Diese Kraft ist ganz Leben, ganz Hingegeben-Sein dem Lebensstrom. In diesem Reich ist nichts, was aus der Freiheit und dem Bewusstsein von sich selbst kommt. Das Tier hat eigentlich kein Sein in diesem Sinne. Es ist nicht im menschlichen Sinne ein Ich-Bin, sondern es lebt sich. Es ist gewissermaßen nur das ausführende Organ einer Wirksamkeit, die ihr Bewusstsein von sich nicht im Tier selbst, sondern außerhalb des Tiers hat. Das Tier kann von sich aus nicht sein wie es ist, da es sich über die Form seines Daseins nicht bewusst werden kann. Es bekommt sein Dasein sozusagen vorgeschrieben, es reicht nicht selbst darüber hinaus. Daher bleibt ihm nichts anderes übrig, als den ihm vorgeschriebenen Inhalt mit ganzer Intensität zu leben. Das kennzeichnet denn auch die Eigenart des tierischen Bewusstseins gegenüber dem Selbstbewusstsein des Menschen, dass das Tier ein Bewusstsein von seinem Leben hat, dass es ganz im Durchleben der ihm vorgeschriebenen Lebensinhalte aufgeht. Und das erklärt auch die ungeheure Intensität des Tierbewusstseins, die dem Menschen, der mit seinem Selbstgefühl daran heranzureichen suchte, unheimlich, gewaltig, ja in höchstem Maße entsetzlich erscheinen würde. Wir haben also, wenn wir es genau betrachten, in der eigenartigen Beschaffenheit des Tierbewusstseins einen scheinbaren Widerspruch vor uns. Auf der einen Seite ist das Daseinsgefühl des Tieres ein eher dumpfes und nebelhaftes, auf der anderen Seite ist das Aufgehen seines Bewusstseins in dieses Daseinsgefühl ein so starkes und intensiv erlebtes, dass es all das übersteigt, was sich der Mensch gewöhnlich vorstellen kann. Dieser Widerspruch ergibt sich für den Menschen aus der Tatsache, dass bei ihm für alle Handlungen, die er im vollbewussten Zustand ausführt, das Selbstbewusstsein die Oberhand hat. Wäre das nicht so, so würde dem Menschen gleichsam der Boden unter den Füßen entzogen, auf dem er stehen wollte, und wenn er sein Ichbewusstsein trotzdem beibehalten würde, was erforderlich wäre, um von den folgenden Zuständen überhaupt ein Bewusstsein zu erlangen, so würde er sich ganz in den Bannkreis einer fremden Macht gezogen fühlen. Der Widerspruch zwischen seinem Selbstbewusstsein und der Kraft, die versucht, Besitz von ihm zu ergreifen, würde ihm unerträglich werden. Denn für all das, was der Mensch im Leben tut, ist sein Selbstbewusstsein das eigentlich maßgebende. Für die Lebenserfahrung des Tieres ist das Bewusstsein aber nicht auf das Ich, sondern auf die Inhalte gerichtet, die seine Lebenserfahrung ausmachen und deren unhinterfragtes Zentrum es ist. Da erreicht dieses Bewusstsein eine besonders gesteigerte Intensität, die umso größer erscheint, je niedriger organisiert das Tier und je abhängiger es in seiner Einzelexistenz vom Gesamtgefüge der Gattung ist. So ist das Mitglied eines Insektenstaates voll von einem vibrierendem Leben, das ein selbstreflektiertes Wahrnehmen beinahe völlig aufgezehrt hat, lässt aber an eine selbstreflektierte Macht denken, die dahinter agiert. Dennoch hat jedes Tier auch im Insektenstaat ein Eigenbewusstsein für sich.