Nojémas in der Gegend des Njeri-Pata-Laam, des «Sees der tausend Tränen» auf dem Planeten Nissiria , 1997, Buntfarbstiftzeichnung auf Zeichenpapier
Nojémas in der Gegend des Njeri-Pata-Laam, des «Sees der tausend Tränen» auf dem Planeten Nissiria , 1997, Buntfarbstiftzeichnung auf Zeichenpapier

Über das Kriterium des Zweifels

Der Zweifel an der Wirklichkeit unserer Erfahrung aufgrund innerer Widersprüche verweist immer auf eine übergeordnete Wirklichkeit dahinter.

Wie kann man den Wachzustand von einem Klartraum unterscheiden? Diese grundlegende Frage stellt sich jedem Wahrheitssuchenden.

Sie ist entscheidend für unsere Weltsicht. Unterliegen wir, wenn wir die Welt um uns betrachten, einer großen Illusion in Bezug auf ihre eigentliche Wirklichkeit? Hier geht es auch gar nicht um die Frage „eines Dings an sich“, das sich vielleicht hinter der wahrgenommenen Wirklichkeit verbergen könnte und angeblich unerkennbar sei, sondern um die richtige Auffassung der Wirklichkeit, deren Infragestellung berechtigt und deren Beantwortbarkeit möglich ist. Den Unterschied zwischen einer vermeintlichen und einer echten Wirklichkeit können wir am besten an einem Klartraum illustrieren. In luziden Träumen nehmen wir unsere geträumte Umgebung mit einer solchen Klarheit wahr, dass wir uns, wenn uns bestimmte Details unseres Traumes mehr oder weniger unwahrscheinlich vorkommen, die Frage stellen: Wachen oder träumen wir? Woran können wir nun, in die Lage eines solchen Klartraumes versetzt, erkennen, ob wir wachen oder träumen? Fokussieren wir in unserem Klartraum gewisse Details und erforschen wir deren Deutlichkeit, so können wir uns täuschen. Die Deutlichkeit des fokussierten Details mag uns überzeugen, aber den zeitlichen und räumlichen Kontext, in dem es steht, lassen wir dann zumeist außer Acht. Die Uhr, auf die ich in meiner Wohnung starre, mag mich in ihrer Detailgetreue noch so sehr von ihrer Wirklichkeit überzeugen, aber wir vergessen darüber vielleicht, dass sie sich in Wahrheit derzeit weder in unserer Wohnung befindet noch dem gegenwärtigen Zeitabschnitt angehört. Es mag sich später nach dem Erwachen herausstellen, dass es sich um eine Uhr aus unserer Kindheit handelte, die unseren Eltern gehörte. Das Problem bei allen Träumen, auch den luziden, ist, dass die Gedächtniskontinuität im Schlaf unterbrochen und nur noch in Fragmenten zugänglich ist. Also müssen wir den Grund des Zweifels, sofern wir uns in einem Traum befinden, wo ganz anders ansetzen. Es ist offenbar die dem Träumen beigegebene Flüchtigkeit, die uns zweifeln lässt. Die Aktivität unseres Inneren, unseres gleichsam von Innen hervortretenden schöpferischen Gestaltens ist in den Träumen viel stärker als während des Wachens und es scheint uns auch trotz aller empfundenen Anstrengung viel leichter von der Hand zu gehen. Im Wachen tritt uns dagegen eine klare äußere Welt in ihrer eigentümlichen Beständigkeit und in einem zeitlich nachvollziehbaren Kontext derart von außen vor Augen, dass ein Zweifel an ihrer Realität nicht möglich ist. Wir erkennen im Wachzustand den Unterschied zwischen flüchtig vibrierender Eigenproduktion und dem gegebenen Außenbestand, der uns unvermittelt und kontinuierlich begegnet, viel klarer als in jedem Traum. Darum ist uns der Zweifel nicht möglich. Woran erkennen wir aber nun in einem Traum, in dem wir uns die Frage nach seiner Wirklichkeit stellen, dass wir träumen? Nun, es ist die Tatsache, dass wir überhaupt eines Zweifels fähig sind, denn im Wachzustand zweifeln wir nicht daran, dass wir wach sind. Allein das Dasein des Zweifels klärt uns hier also über seine Berechtigung auf. Nun gibt es aber auch im Wachzustand Situationen, die uns daran zweifeln lassen, ob wir wach sind, und zwar ein schockartig eintretendes, existenzbedrohliches Erlebnis, das die Kontinuität des Lebens und seiner Erwartungen vollständig zerrüttet. Es sind die einzigen Fälle, die uns am Wachzustand während des Wachens zweifeln lassen. Aber auch hier stellt sich uns die Frage: Ist der Zweifel allein schon aufgrund seines Auftretens berechtigt? Ja, er ist es allerdings – gegenüber einer höheren Wirklichkeit, die unsere angenommene, selbstverständlich gewordene Realität durchbricht. Und die Zerrüttung unserer Wirklichkeit kann ein heilsames Erwachen sein.