Welt im Aufgang, 2021, Gouache Liquide Tempera Paint auf Leinwand
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Über das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit

Unser zeitliches Universum ist nicht die erste Schöpfung Gottes.

Der Urgeist ist das Erste, noch vor dem „Nichts“. Er ist der Ursprung aller Schöpferkraft und allen Bewusstseins.

Auch das “Nichts“ wäre nicht ohne den Urgeist, denn ein Nichts ist immer nur Nichts verglichen mit einem Etwas und der Urgeist ist der Ursprung allen Etwas. Er ist aber vor allem noch mehr als ein Etwas, indem er auch dessen Nichts umfasst. Der Urgeist bedarf keines Raumes und keiner Zeit. Er ist ganz in sich selbst, vor und hinter allem zeitlichen Inkrafttreten und zugleich wesenhaft in sich selbst reflektiert. In seiner Selbstreflexion stellt er sein Wesen sich selbst gegenüber und in dieser Selbstgegenüberstellung, die keinen zeitlichen Anfang hat, sondern der Anfang selbst in seiner Ewigkeit ist, ereignet sich das Bewusstsein des Liebe-Willens als erste Person. Dieses reflektierte Selbst wird biblisch der „Sohn Gottes“ genannt, und es ist keine zweite Person neben Gott. Der Sohn ist vielmehr, wie Jesus sagte, im Vater und der Vater im Sohn. Der Sohn ist das Wort als Wesen und Sinn der Bewegung und dieses Wesen ist „bei“ Gott wie ein Zentralorgan im menschlichen Leib. Die Ewigkeit Gottes ist kein Nunc stans, kein stehendes Jetzt, keine eingefrorene Zeit. Denn wo keine Zeit im Sinne einer linearen Aufeinanderfolge herrscht, da gibt es andererseits auch keine Erstarrung, an welcher ein zeitlicher Ablauf zu messen wäre.
All diese Vorstellungen von der Ewigkeit als einer erstarrten Zeit setzen die Grundanschauung einer linearen Zeit als Zeit schlechthin voraus. Diese ist in der Ewigkeit Gottes genauso wenig vorhanden wie die Ewigkeit als ein erstarrtes Bild zu fassen ist. Vielmehr ist in dieser Ewigkeit im zeitlichen Sinne alles zugleich. Aber ist in diesem Zugleich bereits auch der zeitliche Ablauf der Schöpfung, nur zunächst noch gleichsam wie in einem Raum auseinandergelegt? Dann wäre die Uhr in Gott schon aufgezogen, um nur noch zum subjektiven Erleben seiner Geschöpfe abzulaufen. Die Ewigkeit Gottes muss also mehr sein als ein erstarrtes Jetzt, das alles enthält, sie muss sogar weit mehr sein als die lineare Zeit, die wir zu kennen glauben, uns an Dynamik bieten kann. Und wie sollte denn aus der Erstarrung eines ewig in sich selbst kreisenden Jetzt die Zeit der Schöpfung hervorgegangen sein ohne ein Wann des Beginns? Ein Wann ist nur in einer Zeit bestimmbar. Und ein wesenhaft Bewegungsloses, das anfängt eine Tätigkeit in Gang zu setzen, braucht die Setzung eines Anfangs, der schon das Wesen einer Tätigkeit in Gott voraussetzt. Wenn dieses Wann des Anfangs einer linearen Zeit im Nirgendwann eines statischen Gottes stünde, wäre alle Zeit bereits in Gott verflossen. So können wir schon jetzt begreifen, dass der Kirchenvater Augustinus irrte, indem er die Welt erstens aus dem Nichts und zweitens mittels eines göttlichen Wesens, das im Nunc stans beheimatet wäre, hervorgehen ließ. Die Anhänger des Augustinus glauben, dass zwar die Zeit, die sie sich nicht anders als linear denken können, einen Anfang haben müsse – freilich aber ohne Wo und Wann –, dass sie aber andererseits kein Ende nehmen könne. Dabei lehrt die Erfahrung, dass alles, was einen Anfang hat, auch ein Ende nehmen muss – es sei denn, es stünde selbst im „Anfang“ als eines ewigen Zustandes. Wir kommen also nicht umhin zu denken, dass die Zeit durch Gott in sich selbst lebendig ist und nicht in die Kategorien von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterteilt werden kann, andernfalls die ganze Reihe aller möglichen Zeit schon in der Ewigkeit abgelaufen wäre und es ein großes Wunder bedeutete, dass wir „ausgerechnet Jetzt“ existieren und „ausgerechnet Jetzt“ dies und das erleben und tun, denn dasselbe gilt für jedes Stadium der Reihe. Wir erleben uns als beschränkt auf eine gesonderte Gegenwart und stehen unter der permanenten Illusion einer festgefügten Reihe unsicherer, sich ständig verschiebender Gegenwartspunkte. Diese als beinahe aussichtslos empfundene existenzielle Lage unseres Daseins kann aber nicht unmittelbar aus der Ewigkeit Gottes hervorgegangen sein, sie muss auf der Existenz einer Schöpfung aufruhen, die wesentlich freier und dynamischer sein muss, als alles, was wir im irdischen Dasein erfahren können, einer multidimensionalen, nichtlinearen Schöpfung, deren Anfang in der Ewigkeit Gottes nicht linearer Natur und nicht zu ermessen ist. Verglichen mit dieser Urschöpfung gleicht unser sichtbarer flüchtiger Kosmos einem abgetrennten, herausgebrochenen, fragmentarischen Teil.