Psychedelische Landschaft, 1982, Buntstiftzeichnung auf Karton
Psychedelische Landschaft, 1982, Buntstiftzeichnung auf Karton

Gut, Böse und Notwendigkeit

Gut und Böse sind keine dualen Prinzipien.

Ist es notwendig, dass ein Mensch so handelt wie er handelt, dass er die Fehler begeht, die er begeht, dass er die Gelegenheiten außer Acht lässt, die er außer Acht lässt? Was ist Notwendigkeit?

Notwendigkeit ist, wozu uns die Not zwingt. Was wir unserem Wesen gemäß tun, so tun, dass wir es für gut und richtig halten können, unterliegt nicht der Notwendigkeit. Ich sage: Solange wir noch nicht aus dem Schlaf des Selbstseins erwacht sind, folgt alles mit einer Notwendigkeit. Es gäbe sonst Augenblicke, in denen wir wirklich frei wären, das Gute und Richtige zu wählen, und dann würden wir uns auch dafür entscheiden. Aber was ist überhaupt das Gute und Richtige? Gibt es nicht jeden Moment Gelegenheit, noch besser, noch richtiger zu handeln, eine noch vollkommenere Sicht der Dinge zu erlangen? Und gibt es etwas, das uns daran hindert, eine Notwendigkeit? Es gibt gnostische Geistesrichtungen, die behaupten, dass es grundsätzlich nichts Verkehrtes gäbe, dass das Gute nur eine gleichberechtigte Möglichkeit der Entscheidung sei, dass jedem nach seinem Willen geschähe und dies das einzig Richtige für jeden sei. Ihr Leitsatz ist: Jedem das Seine! Diese Auffassung enthält einen logischen Widerspruch. Sie setzt voraus, dass es ein relativ Gutes gäbe, das gegen das Gute selbst gerichtet ist, dass also das Gute etwas in sich umfasst, das gegen das Gute selbst gerichtet sei. Diese Position ist weiterhin deistisch. Sie setzt einen Schöpfergott als erste Ursache voraus, einen In-Gang-Setzer, der die Geschöpfe aus sich herausgestellt habe, woraufhin ihm ihr weiteres Schicksal gleichgültig gewesen sei. Jedem das Seine, das ist die Position der Selbstgerechten, die auch nur das Ihre wollen, zufrieden mit ihrem angenommenen Grundsatz. Der Gott der Liebe ist für sie selbst das Produkt eines Prozesses. Sie durchschauen nicht, dass die Einheit des Seienden in Gott jenseits aller Dualität nicht die Zerstörung dieser Einheit impliziert. Sie halten die Dualität selbst für einen notwendigen Bestandteil der Einheit, sogar eine mit einem Pol, der gegen die Einheit selbst gerichtet sei und damit die Einheit und die Gültigkeit eines göttlichen Willens aufhebt. Alle Dualisten huldigen diesem Prinzip. Sie glauben an so etwas wie an eine absolute, auch von Gott als dem Ursprung unabhängige Freiheit und damit auch an die Freiheit der Selbstoptimierung. Der Glaube an die Freiheit unbegrenzter Optimierung ist ebenso eine Denkfalle wie der Glaube an die Freiheit, das Böse zu wählen.