Versonnener Jüngling, 1997, Aquarell auf Aquarellpapier
Versonnener Jüngling, 1997, Aquarell auf Aquarellpapier

Über die Grenzen der Freiheit hinsichtlich des Bösen

Es gibt keine freie Wahl des Bösen, die guten Gewissens und ohne inneren Widerspruch eingegangen werden könnte und danach noch Freiheit garantiert.

Die Möglichkeiten unseres Handelns sind begrenzt, nicht allein, dass wir beschränkte Wesen wären.

Die Begrenzung ergibt sich allein von der Sache her. Wir haben einen gewissen Spielraum des Denkens und Handelns, aber wie sehr wir ihn auch nutzen: Das Endprodukt bleibt ähnlich und das gilt auch schon im ganz grundsätzlichen Bereich: Wir sind nicht die Schöpfer unserer selbst, und auch indem wir reifen und uns entwickeln, erschaffen wir nicht uns selbst. Solange wir leben ringen wir um die Freiheit und sind nicht völlig frei, aber immer auf dem Weg dorthin.

Die menschliche Fantasie versteigt sich zu dem Gedanken, dass dem Menschen bei genügend hoch entwickeltem Verstand noch alles möglich sei. Aber seine Erfolge sind ein Schein der Fantasie, der an der Oberfläche der Dinge haftet. Und wo er es zu komplizierten Manipulationen bringt, zerstört er die Natur.

Der ringende Mensch erkennt das. Er ist nicht frei, solange er ringt. Aber dieses Ringen ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir nicht einer Notwendigkeit unterworfen sind, die wir nicht selbst in die Wege geleitet haben. 

Was aber kann der Mensch dafür, dass er nicht seiner gewählten Notwendigkeit folgt, sondern einer ihm fremden? Ist es allein die schlechte Erziehung, die notwendig Trägheit, Hass und Lieblosigkeit erzeugt? Ist die Bosheit eine selbstgewählte? Und kann man sagen, dass den Bösen im geistigen Tod seiner Bosheit das Schicksal treffe, das er selbst gewählt hat? Dass sein Schicksal ebenso das Seine sei wie das Schicksal des Erlösten, dass er frei zur Bosheit sei, dass er sogar ein Meister der „dunklen Seite“ werden könnte?

Der gewöhnliche Böse ist freilich kein Meister, und wäre er auch noch so sehr der Bosheit voll. Zur Meisterschaft gehört Bewusstsein, auch Bewusstsein von der Bosheit selbst. Kann aber einer, der sich seiner Bosheit nicht bewusst ist, weniger schuldig sein als einer, der sie bewusst gewählt hat? Sollte der Meister des Bösen einen größeren Vorteil aus seiner Bosheit gewinnen als der blinde Tropf von einem Bösewicht? Wir wissen, dass das auf die Dauer nicht der Fall sein kann, denn auch der Meister der Bosheit tappt im Dunkeln. 

Wir können auch nicht sagen, der Böse aus Blindheit sei weniger böse von Grund auf, nur weil er häufig sogar vor sich selbst eine Scheinmoral vertritt. Denn auch der Meister hat seine Moral. Und man kann auch nicht sagen, dass er weniger verantwortlich sei, weil ihm niemand gesagt habe, was gut und böse ist. Als ob der Verstand die Grundlage für die Moral wäre.