Meeresidyll mit Knaben, 1979, Kugelschreiberzeichnung auf Papier DIN A4
Meeresidyll mit Knaben, 1979, Kugelschreiberzeichnung

Über die Arten des Glaubens

Der Glaube an Gott im biblischen Sinne ist weitaus mehr als das bloße Fürwahrhalten der Existenz Gottes.

An Gott zu glauben kann mehrere Bedeutungen haben: 

  1. Ich nehme die Existenz eines Gottes, also eines persönlichen Wesens außerhalb und innerhalb der Welt/des Universums an, das die Welt/das Universum als seine Schöpfung hervorgebracht hat und das allwissend, allliebend und allmächtig ist. Dies entspricht der biblischen Auffassung von der Existenz Gottes. 
  2. Ich nehme die Existenz eines höheren Wesens an, das über uns wacht, uns leitet und uns weit überlegen, aber fehlbar und daher nicht allwissend und allliebend sein kann, weil es selbst dem Universum angehört und seinen eigenen Entwicklungsgang in ihm hat. Dieses Wesen wäre dann vielleicht in der Lage, eine eigene, begrenzte Schöpfung zu begründen. Dies ist die Auffassung so unterschiedlicher Weltanschauungen wie die der Mormonen, der Anthroposophen oder auch der Anhänger des Neuen Realismus. 
  3. Ich nehme an, dass es ein unpersönliches Prinzip gibt, das der Welt immanent ist, alle Dinge durchdringt und sie sinnvoll ordnet. Unsere Welt ist in das Feld dieses Prinzips eingegliedert. Dies ist die Auffassung Giordano Brunos, Spinozas, Goethes oder Einsteins. Freilich bliebe hier zu fragen, wie ein solches Prinzip imstande sein sollte, ein persönliches Wesen und Bewusstsein hervorzubringen, das offenbar doch mehr, wesentlicher und lebendiger ist als es selbst. Dieses Problem kann nur umgangen werden, wenn, wie im Buddhismus die Individualität und das Selbst in allem Seienden als ein bloßer vergänglicher Schein behandelt wird.  
  4. Ich nehme verschiedene unerschaffene oder erschaffene Götter an, die untereinander konkurrieren und die bereit sind, uns zu unterstützen oder uns schaden wollen. Dies ist die Auffassung der Naturvölker und der Kulturvölker des Altertums wie auch des Hinduismus, wobei allerdings anzumerken ist, dass im Hinduismus die Lehre eines höchsten persönlichen Gottes, der zugleich das schöpferische Prinzip des ganzen Universums darstellt, dennoch präsent ist. Tatsächlich spiegelt sich diese Lehre in sämtlichen Kulturvölkern des Altertums wider. Selbst bei den friedlicheren Naturvölkern ist sie – nur rudimentär – zu finden. Und die Indianer Nordamerikas verehrten den Großen Gottesgeist Manitu, während in der degenerierten Hochkultur der Azteken der Sonnendämon Huitzilopochtli, dessen unvollkommene Kräfte ständig durch Menschenopfer gespeist werden mussten, als oberste Gottheit verehrt wird.
  5. Ich vertraue dem einen persönlich-überpersönlichen Gott, indem ich mich in seiner Liebe und Allmacht geborgen weiß und lasse mich in allem von ihm führen.

Nur die letzte Art des Glaubens, das unbedingte liebevolle Vertrauen auf einen einzig wahren, persönlichen, allwissenden und allliebenden Gott ist imstande, eine wirkliche Gottesbeziehung aufzubauen. Diese Beziehung hat nichts mit Vermuten, Mutmaßen oder bloßem Fürwahrhalten zu tun, sondern muss auf tiefem Wissen und evidenter Überzeugung gründen. Die Existenz Gottes und deren intime, wesenhafte Erfahrung bleibt dabei vorausgesetzt. Alle anderen geschilderten Formen des Glaubens an Gott oder an eine höhere, als göttlich aufgefasste Macht können nicht als ein glaubendes Vertrauen auf Gott in diesem biblischen Sinne aufgefasst werden. Sie bringen es allenfalls zu einem dunklen Ahnen eines tieferen Geheimnisses, so im Buddhismus, Panentheismus oder bestenfalls und am entschiedensten im Manitu-Glauben der nordamerikanischen Ureinwohner. Besonders schlimm ist es aber, wenn Gott moralische Schwächen und Unvollkommenheiten zugeschrieben werden, wie dies in allen antiken und modernen Volksreligionen beinahe ausschließlich der Fall ist, besonders aber in den einzelnen Sekten.