Versunkene Städte, Buntfarbstiftzeichnung, 1980
Versunkene Städte, 1980, Buntfarbstiftzeichnung

Über Wissenschaftsbetrieb und Individualität

Nur der universell ausgerichtete Mensch ist ein verwirklicht Individueller.

Hört man sich auf Kongressen um, so fällt folgendes ins Auge: Sämtliche Vertreter einer zeitgenössischen Wissenschaft haben dasselbe gelernt und glauben, dasselbe zu wissen.

Altbewährte Theoreme werden kaum mehr hinterfragt. Die Vertreter ihrer Wissenschaft sind alle gleich intelligent, gleich kompetent, Unterschiede gibt es nurmehr im Detailwissen. Im Prinzip glauben sie alle dasselbe. So mag es geschehen, dass sich viele von ihnen durch ihr Detailwissen definieren. Viele gründen ihr Ansehen und durch dieses den angenommenen Wert ihrer Individualität darauf. Gründet nun aber der Wert der Individualität tatsächlich darauf, dass diese sich in eine vorgegebene Messlatte möglichst an höchster Stelle einfügen lasse? Sicherlich nicht! Ein Mensch, der in der Ausübung einer einseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit sich zu verwirklichen trachtet, verliert sich am Ende selbst in ihr. Seine Rolle kann ihm nicht geben, worin er als Mensch besteht. Er ersetzt die volle Lebendigkeit seines Menschseins durch seine auferlegte Rolle. Indem sich ein Wissenschaftler auf eine Methode beschränkt und diese zum Dogma erhebt, verliert er den Kontakt zur lebendigen Wirklichkeit in ihrer Komplexität. In all seinen Anstrengungen übersieht er eine wesentliche Wahrheit: der Mensch kann nur dann individuell werden, wenn er universal wird.