Angst erzeugt Hass, wie umgekehrt die Liebe Zorn über jede Ungerechtigkeit erzeugt.
Der unbegründete Glaube an eine Polarität von Liebe und Zorn ist eine üble Angewohnheit unter Psychotherapeuten und ein erkenntnistheoretischer Fehler.
Zorn ist nicht das Gegenteil von Liebe, sondern ihr Diener und Schutzwall. Zorn wird durch die Liebe im Bewusstsein der Gerechtigkeit angesichts des Unrechts entzündet. Er zielt auf die Wiederherstellung einer gerechten Ordnung. Freilich gibt es auch den ungerechten Zorn, der in der Verkennung einer gerechten Ordnung besteht. Dieser artet in Hass aus. Hass zielt auf die vollständige Vernichtung eines vermeintlichen Gegners. Zorn ist ursprünglich eine sachlich motivierte, Hass eine auf Verkennung und purer Negation gründende Emotion.
So wie der Zorn der Liebe entspringt, so entspringt der Hass der Angst. Die Angst als eine existenzielle Emotion entspringt einem Mangel der Liebe wie der Hass einem ausufernden Zorn und einer Verkennung seiner Funktion und seines Zieles entspringt. Die Angst wiederum hat in der Gestalt der konkret gewordenen Furcht ihre Berechtigung und dient als lebenswichtiges Regulativ. Insbesondere als Ehrfurcht vor Gott und der Schöpfung entspringt sie der Liebe. Das gilt aber nicht für die existenzielle Angst. Interessanterweise wird gerade die Letztere von existenzialistisch orientierten Philosophen als der inspirierende Genius eines Bewusstseins des Menschen von sich selbst betrachtet. Es wird erwartet, dass diese Angst im Menschen das Bewusstsein seiner grundsätzlichen Gefährdung in einer gottlosen Welt erwecken und ihn dazu auffordern könne, sich selbst und seinem Leben eigenmächtig Sinn und Wert zu geben. Das ist eine völlige Verkennung der wahren Verhältnisse und führt geradewegs in Orientierungslosigkeit und Nihilismus. Wir können Sinn und Berufung unseres Lebens entdecken. Aber wir können sie uns nicht selbst geben.