Geburt der Venus, 1996, Ölpastell auf Pappe 
Geburt der Venus, 1996, Ölpastell auf Pappe 

Über das Verhältnis von Menschenverachtung und sexuellem Missbrauch

Sexuelle Leidenschaft bedeutet den Tod der Liebe.

Jede rein körperliche Liebe kann in Hass umschlagen, ja ist dem Hass sehr verwandt, wenn sie nicht in tiefer Wesensliebe und vollständiger Akzeptanz der Person gründet.

Denn es kommt bei der körperlichen Liebe auf jeden Fall der Genuss der eigenen leiblichen Selbstheit mit ins Spiel. Wo aber ein ganz auf das Ego zentrierter Leibesgenuss in eine Paarbeziehung mit eingeht, besteht die Gefahr der Kränkung. Und Kränkung geschieht dort, wo die Gebärden der Liebe um der Eitelkeit willen missbraucht werden. Der Normalzustand in unserer ganzen Gesellschaft ist der der Eitelkeit. Und die Augenblicke tief empfundener Liebe sind leider die Ausnahme. Häufig macht man sich etwas vor, indem man in einem übersteigerten leiblichen Ausdruck seine Liebe und Zuneigung beweisen will. Einer sogenannten „heißen Liebe“ steht also immer der Hass an der Seite. Wahre Liebe ist sanft und schonend, sie begehrt nichts für sich selbst, sondern kommt aus der Fülle des Seins. Sie besteht im wechselseitigen Erkennen und Beschenken. Das, was unsere Gesellschaft heute Liebe heißt, ist Leidenschaft, und Leidenschaft schafft Leiden, Kränkung und Unglück. Sie schafft auch Veräußerlichung, Leugnung und Missachtung des inneren Menschen und der Menschlichkeit schlechthin. Denn Sexualität ist etwas ganz Intimes, das beim Menschen mit dem Zusammenwirken von Leib und Geistseele in enger Verbindung steht. Daher sollte Sexualität in einer Paarbeziehung immer in die tiefe Wesensliebe zweier Menschen eingebettet sein. In ihr sollen zwei Menschen gleichsam zu einem Leib werden. Eine Gesellschaft des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts hat die sogenannte „Notzucht“, die in den islamischen Staaten zumindest einer gesetzlichen Regelung durch „zeitlich befristete Ehen“ unterliegt, in ihrem unausgesprochenen Moralkodex heuchlerisch über die harmlose zeitweilige Selbstbefriedigung zum biologischen Ausgleich erhoben und somit die Verhältnisse zwecks Rechtfertigung von Promiskuität, Ehebrüchen sowie von Vergewaltigungen innerhalb der Ehe auf den Kopf gestellt. Die Früchte dieser Tendenz in Form von Reaktanz unter dem Deckmantel sexueller Selbstbefreiung kann heute selbst der Blinde sehen. Niemand nenne es Tragik und unausweichliches Schicksal.