Dozenten, 1981, Kugelschreiberzeichnung
Dozenten, 1981, Kugelschreiberzeichnung

Über den geheimen Hass der Menschen auf Gott

Die allgemeinen Gottesbilder beschreiben den Hass des Menschen auf Gott.

Der allgemeine Hass auf Gott ist nicht nur durch die Bindung und Versklavung der Menschen an den gefallenen Cherub Luzifer und seine Engelsheere verursacht, sondern vor allem durch ein von ihm inspiriertes widersinniges Gottesbild, das – wie könnte es anders sein – in allen staatlichen Kirchen seit Jahrhunderten heimisch geworden ist.

Dabei wird das den Erdenmenschen eigene, vornehmlich binäre Denken, das plakative Denken in Extremen, rücksichtslos ausgenutzt.
Der Ausgangspunkt dieses Gottesbildes ist zunächst die Lehre von der immerwährenden Verdammnis derer, die sich nicht „gut betragen“. Was dabei „gut“ heißt, erlaubt sich die kirchliche Hierarchie zu definieren. Hier kommt der religiös Gläubige in sein erstes großes, für ihn unüberwindliches Dilemma. Denn wenn Gott, was ja die Bibel bezeugt, nicht will, dass auch nur ein Einziger für ihn verloren geht, dies aber in vielen Fälle, ja den weitaus meisten, gegen seinen Willen geschieht und diese irrenden Menschen nach ihrem Tod in der Hölle viele end- und sinnlose Qualen ohne Besserungsmöglichkeiten erleiden müssen, so ist er entweder ein schwacher und keineswegs allmächtiger oder ein grausamer Gott.
Wir wissen aber: Gott ist definitiv allmächtig. Er hat seinen bestimmten Willen. Er duldet nichts bleibendes Böses, er liebt alle Menschen und Kreaturen auf unaussprechliche Weise. Er hat immer das Heil aller im Blick, und zwar das Heil jedes einzelnen, spezifischen Menschen, und wird dieses Heil auch durchsetzen, jedoch nicht mit Gewalt, sondern durch dosierte Zulassungen und entsprechende Führung.
Er lässt auch niemanden in seinen Qualen, ohne von seiner Seite Linderung zu schaffen, wo sie dem Läuterungsprozess zugutekommt. Es soll laut biblischen Schriften auch eine Zeit im Kosmos geben, in der nichts Böses mehr sein wird. Würde die Qual der in den Gerichten Verdammten „ewig“ im Sinne von „immerwährend“ dauern, so wäre auch deren, durch die Qualen verursachter Widerstand ewig, was Gott nicht zulassen wird. Die immerwährende, nicht nur Äonen währende Verdammnis, welche durch Scheinargumente des Klerus gerechtfertigt wurde, war vor allem ein Schachzug der Kirchenpolitik seit Augustinus, zu einem Zeitpunkt, als die christlichen Gemeinden weltlichen Einfluss gewannen. Zuvor war das nicht so. Während Origenes, der gelehrte Kirchenschriftsteller des zweiten und dritten Jahrhunderts voreilig sogar dem Satan eine Erlösung zubilligte, ging sein älterer Zeitgenosse Tertullian zwar von einer Erlösung aller Menschen nach sehr langer Zeit aus, aber das Volk dürfe es nicht wissen, denn es würde diese Einsicht missbrauchen. Und Tertullian war kein besonders sanftmütiger Mensch, sondern gestand ausdrücklich, dass er sich auf die Verdammnis und die Qualen der Heiden und Unbußfertigen förmlich freue.
Nun gab es mit der Lehre von der immerwährenden Verdammnis, die allerdings ein sehr überstrapaziertes „Immer“ beinhaltet, zunächst nur noch drei Alternativen:

  1. Entweder habe Gott die immerwährende Verdammnis zahlreicher Menschen vorsätzlich gewollt, eine Ansicht, die auch sämtliche Reformatoren, insbesondere Calvin, teilten, dann folgte daraus, dass Gott ein grausames Ungeheuer war.
  2. Oder aber er war ganz unvermögend, dem Willen der Bösen zu trotzen, musste alle Bemühungen, sie zu bessern, fahren lassen, in ewiger Trauer über die Verlorenen, um derentwillen er seinen Willen mit ihnen aufgeben musste. Dann folgte daraus, dass Gott ein unwürdiger Schwächling war. Der Satan hätte Gott in jedem einzelnen Menschen besiegt, auch wenn er selbst am Ende dafür gerichtet wurde.
  3. Oder aber die Menschen waren diesem Gott gleichgültig. Er bot ihnen zwar sanftmütig ihr Heil durch das Erlösungsopfer an, wer es jedoch nicht annahm, hatte Pech gehabt. Auch hier kann von einer aufsuchenden, geisterfüllten, leidenschaftlichen Liebe des Schöpfers nicht die Rede sein. Es wäre ein Gott ohne geisterfüllte Leidenschaft, demnach ein toter Gott!

In Anbetracht einer angenommenen immerwährenden Verdammnis, einer Annahme, die sogar die Zeit selbst außer Kraft setzen müsste, um das „Immer“ aufrecht zu erhalten, so etwa bei S.C. Lewis, sahen sich einige christliche und pseudochristliche Gruppierungen, die ebenfalls durch Pseudoargumente ihre Ansichten rechtfertigten, veranlasst, eine Ganztodtheorie vor einer möglichen Auferstehung anzunehmen, so etwa der reformierte Theologe Karl Barth neben den Adventisten und Zeugen Jehovas. Aber nein, so geht das nicht! Die grobmaterialistische Ganztodtheorie ist nicht nur unbiblisch, wie durch zahlreiche ausgezeichnete Bibelstellen zu belegen ist, sie ist auch in Anbetracht einer Auferstehung wegen der Identitätsfrage gänzlich unmöglich.
Darüber hinaus könnte dann jeder Bösewicht, der ohnehin nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glaubt, Gott verspotten, da sein Handeln ohne negative Konsequenzen bliebe. Aber „Gott lässt seiner nicht spotten“! Vielmehr: „Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!“ Und was wäre das für ein liebloser, gleichgültiger Gott dem Verhalten seiner Geschöpfe gegenüber! Da hätte Jesus dann auch nicht Gott sein dürfen, da er als Gott nach seinem Kreuzestod hätte vernichtet werden müssen. Die Zeugen Jehovas sind in dieser Hinsicht wenigstens konsequent. Denn sie glauben, dass Jesus zwar nach seinem Tod für drei Tage vernichtet wurde, aber nicht, dass er Gott war.
Nun gibt es noch eine vierte Betrachtungsweise, die sich unter Mitgliedern freier Gemeinden, aber auch Kirchenchristen, eingebürgert hat: Es ist der Gedanke, dass die Verdammnis als solche ja „gar nicht so schlimm“ sei. Denn sie bestünde ja nur darin, dass es sich um einen immerwährenden Zustand handle, in dem Gott nicht anwesend ist, einen Zustand also, in dem Gott nur passiv bleibt und der Verdammte alleine zurechtkommen muss.
Ja freilich, das glaube ich gerne, dass ihr Freikirchler in eurer großen Mehrheit das für keinen allzu schlimmen Zustand haltet: Lebt ihr doch wohlgemut dahin in euren Weltgeschäften, macht keine großen geistigen Kämpfe und Gewissensnöte durch, abgesehen davon, dass manchmal ein Körperteil schmerzt, und kennt Gott überhaupt nicht, ja kommt ganz trefflich ohne ihn aus, solange es euch weltlich gut geht!
Was für eine ungeheuerliche Ahnungslosigkeit angesichts der Seelenpein im Tartarus oder gar in der künftigen Gehenna!
Eine weitere Form der Beschwichtigung über eine mögliche immerwährende Verdammnis, um diesen Gedanken erträglich zu machen, ist eine noch schlimmere: Sie besteht nicht nur in der Verharmlosung der Verdammnis als solcher, sondern darüber hinaus in einer Verharmlosung des Bösen selbst!
„Prosit!“, kann man da nur sagen. Ihr habt es weit gebracht! Nach der Lehre des deutsch-ungarischen Philosophen Bela von Brandenstein braucht Gott sogar förmlich das Böse. Er braucht und benutzt es, um am Ende dadurch „die beste aller möglichen Welten“ zu schaffen, er kommt ohne das Böse gar nicht aus. Freilich wäscht dieser passive und antiautoritäre Gott sich dabei die Hände in Unschuld, da er das Böse ja nur zulässt. Aber er hat es, bei gegebener Schöpfungskonstellation als vollendete Tatsache immer schon im Einzelnen vorausgesehen und hindert es nicht, indem er es – auf dem Wege einer kunstreichen mathematischen Kalkulation – bewusst im Sinne und zugunsten des Ganzen einsetzt. Nein, so geht das leider ganz und rar nicht! Gott braucht das Böse überhaupt nicht, und er benutzt es auch nicht, um Gutes zu wirken. Das sei ferne! Gottes Handeln gegenüber dem Bösen ist ein ewiges Trotzdem! Es gibt für Gott zwar eine mögliche Versöhnung mit dem bösen Menschen, aber niemals mit dem Bösen selbst. Er setzt seine Pläne trotz des Bösen, aber niemals mittels des Bösen in die Tat um.
So kann zusammenfassend gesagt werden, dass die Menschheit heute an einem Tiefpunkt der Gotteserkenntnis angelangt ist, einem Punkt, der nur noch eines kleinen Schrittes der völligen – nicht einmal mehr wahrnehmbaren – Überleitung des Gottesbildes in die vollendete Gestalt des Satans bedarf. Und es ist somit kein Wunder, dass die weltliche Boshaftigkeit und der Betrug der Regierenden mit göttlicher Gnade und Wohlfahrt verwechselt werden!