Die Heilige Familie in Gebirgslandschaft, 1985, Ölpastell
Die Heilige Familie in Gebirgslandschaft, 1985, Ölpastell

Über die Inkarnation Gottes in Jeschua

Gott fand sich selbst in der scheinbaren Isolation eines Menschen, er stieg in den Abgrund, um den Abgrund zu erleuchten.

Der Mensch besteht in der Einheit eines lebendigen Prozesses, der eben auf diese Einheit als beständige Persönlichkeit zurückzuführen ist.

In ebendieser Einheit ähnelt er Gott. Er ist direkt aus Gott hervorgegangen. Darum ist er auch präexistent und nicht erst mit der Zeugung entstanden. Gott hat den Menschen, die Welt und die menschliche Seele nicht aus Nichts erschaffen, wie der Kirchenvater Augustinus wähnte. Er schuf ihn aus sich selbst. Allerdings nicht so, als habe er ihn aus sich selbst herausgesetzt und dadurch an Substanz verloren.
Gott hat keine materiellen Eigenschaften, er ist nicht Quantität wie die Materie, er ist Geist. In der materiellen Schöpfung, die nach dem Engelsfall aus der geistigen hervorging, hat sich der Geist Gottes mit der Materie verbunden, die eine aufgefangene, in der Zerstäubung begriffene, zur Vereinzelung neigende Form des Geistes ist. Er hat sich aus der Qualität in die Quantität begeben.
Durch die Inkarnation des Sohnes Gottes – als Gottes in Gott selbst als Du reflektiertes Ich – geschah etwas Ähnliches: Der Sohn Gottes reifte nie selbst in den Naturreichen der Erde aus wie die meisten Menschen, aber er nahm während der Ausgestaltung des materiellen Universums eine der Ur-Idee seiner Schöpfung entsprechende Form an: Die menschliche Gestalt, die als die Krone der Schöpfung allen geistigen und materiellen Welten zugrunde liegt. Als „Engel des Herrn“ – nicht als erschaffener Engel, sondern als unmittelbare Manifestation, Organ und Bote der Gegenwart Gottes – trat er im Alten Testament auf.
Der weitere Schritt war die Inkanation als Erdenmensch – also in der härtesten materiellen Form des Universums. Dazu mussten die historischen und genetischen Bedingungen geschaffen und eine Schneise durch die Bosheit der fehlgeleiteten Völker geschlagen werden. In seiner Inkarnation machte Jeschua auf einer höheren Ebene das durch, was die gefallenen Engel der Kind-Hierarchie in ihrem Gang durch die Naturreiche durchmachen mussten. Der Sohn Gottes in seiner Präexistenz ist das reflektierte Selbst Gottes, in dem er sich selbst als Du vergegenwärtigt.
In Jeschua fand sich Gott selbst innerhalb der Isolation eines menschlichen Bewusstseins. Das bedeutet, dass der menschliche Bewusstseinsinhalt, in dem sich das Ich als Zentrum erkennt, nicht zugleich identisch mit dem Geist und Wesen dieses Bewusstseins sein kann. In unserem Ich-Bewusstsein finden wir nicht zugleich sämtliche möglichen geistigen Inhalte unseres Bewusstseins wieder, ebenso wenig die gesamte Vergangenheit dieses Ich-Bin. Das Ich ist etwas anderes als sein Bewusstseinsinhalt. So erwachte auch in Jeschua zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung, während der er ein ganz gewöhnlicher Mensch war, das Bewusstsein des Ich-Bin der Gottheit, ohne dass zunächst die ganze Fülle der Gottheit in diesem Bewusstsein ihm gegenwärtig sein konnte.
Das lässt sich durch das dialogische Wesen Gottes erklären, das sich selbst im Menschen Jeschua in der Fülle seines Ich-Bin reflektierte, ohne dadurch seine Quelle aufzugeben. Der Vater trug Jeschua – überzeitlich und überräumlich – in derselben Weise, wie er über die gesamte Schöpfung wacht und sie trägt. Damit ist die Frage gelöst, wie Jeschua gleichzeitig Mensch und der die ganze Schöpfung erhaltende Gott sein konnte und warum auch der Sohn Gottes – als selbst Gott – zu seinem Vater betete.