Der Missbrauch des Unendlichkeitsbegriffs führt zu einem irrtümlichen Selbst- und Gottesbild.
Eine Unendlichkeit nach Zahl und realer Entität zu bemessen, negiert alles Individuelle, da dieses dadurch endlos relativiert wird und somit vollständig an Bedeutung verliert.
So behauptet der falsche Messias Mirzan Hussein Ali, genannt Bahalúllah, der im 19. Jahrhundert die Bahaí-Religion gründete, dass Gott
- nie angefangen habe zu schaffen, also schon eine unendliche Zeit im Schaffen begriffen sei und
- Jeden Augenblick, ausgebreitet im unendlichen Raum, unendlich viele Wesen bzw. auch Menschen erschaffen würde.
Er geht also von eine faktischen, unendlich fortgesetzten und schon vergangenen Unendlichkeit aus, im Glauben, dies würde die Macht „Allahs“ verherrlichen. Allah muss unendlich groß erscheinen, der Mensch dagegen unendlich klein. Diese Auffassung des unendlich Großen, im 19. Jahrhundert vertreten, erweist durchaus seine Abhängigkeit vom modernen Zeitgeist des westlichen Kulturraums. Kein Gelehrter im Mittelalter wäre auf die Idee einer faktisch unendlichen Schöpfung verfallen. Nur einen einzigen Vorläufer gab es an der Schwelle zur Neuzeit: Giordano Bruno. Aber der war Pantheist. Alle anderen waren von der faktischen Begrenztheit, wenn auch nicht Messbarkeit, der Schöpfung überzeugt. Darum waren sie aber nicht dümmer als Bahaullah und Bruno, im Gegenteil: Im Hinblick auf logisches Denken bedeutend besonnener. Ein faktisch Unendliches ist ein Widerspruch in sich selbst. Mithin unterliegt sein Postulat einem falschen Begriff von Ewigkeit, die mit einer Unendlichkeit der Schöpfung gleichgesetzt wird.
Unendlich ist eine imaginäre Größe und folglich ist der Inhalt einer unendlichen Menge, sofern er sich tatsächlich dadurch auszeichnet, Bestandteil einer unendlichen Menge zu sein, im letzten Grunde imaginär. Dies trifft für abstrakte Zahlen mit Sicherheit zu. Im Hinblick auf Gegenstände oder Individuen hat noch niemand nachweisen können, dass sie Bestandteil unendlicher Mengen sind. Das Einzige, was man über sie sagen kann, ist, dass ihre Zahl für Menschen unbestimmt ist. Bruno und Bahaullah dagegen nehmen eine faktische Unendlichkeit an und maßen sich damit eine Weisheit an, die sich als in sich widersprüchlich und logisch inkonsistent erweist.
Es ist kein Zufall, dass beide Personen ein Gottesbild vertreten, das „unendlich“ weit von einer liebenden, intimen Person entfernt ist. Insbesondere Bahaullahs Einstellung, die ja nicht in einem Pantheismus wie Bruno, sondern in einem Monotheismus gründet, könnte man als einen Unendlichkeitswahn bezeichnen, der im Rahmen der eigenen Ideologie mit einer überdimensionalen Aufwertung der eigenen Person als eines ausgezeichneten „allwissemden“, eine Hauptweltperiode begründenden Propheten und „Spiegel Gottes“ verbunden ist.