Menschen im Pfuhl, von Dämonen bewacht (2), 1974, Kugelschreiberzeichnung auf Postkarte 
Menschen im Pfuhl, von Dämonen bewacht (2), 1974, Kugelschreiberzeichnung auf Postkarte 

Über den Vertrauensverlust vor der Masse der Welt

Das irregeleitete Streben nach Selbstvergottung führt zum Verlust der Menschlichkeit.

Der Sensitive hat die Fähigkeit, tief in die Verlorenheit der Menschenwelt zu blicken, aber er gibt die Hoffnung auf eine tiefe wechselseitige Zuwendung und eine echte Menschlichkeit nicht auf.

In seiner Jugend ist diese Hoffnung romantisch geprägt. Er hat großes Interesse an anderen Menschen, wie auch an allem Lebendigen. Er findet viele Menschen, denen er begegnet, wunderbar und erkennt in allem ein unerschlossenes Geheimnis. Besonders als junger Erwachsener träumt er von einer großen, schaffenden, einander zugeneigten Gemeinschaft, in der er den Traum der großen Verbrüderung als der Vorreiter einer neuen Ära auf den Weg bringen könnte. Aber seine Hoffnung wird enttäuscht. Der Sensitive erscheint den anderen Menschen aufgrund seines Verhaltens und seiner Ausstrahlung als viel zu eindringlich und intensiv, und obwohl viele, vor allem geistig differenziertere oder konfliktbeladene und hilfesuchende Menschen zunächst von ihm stark angezogen werden, so weichen sie dennoch bald vor ihm zurück und scheuen allen weiteren Kontakt mit ihm, eben aufgrund der intensiven Eindringlichkeit seines Wesens. Diese ertragen sie nicht, denn sie werden mit einer inneren Wahrheit konfrontiert, die sie ängstigt, einer Wahrheit über sich selbst und die Beschaffenheit der Welt. Ihr Problem ist, dass sie sich alle auf der intensiven Suche nach ihrem Ego und nach ihrem Standort in der Welt befinden und sie dennoch zugleich die Notwendigkeit dieser Suche in Anbetracht der scheinbar prunkenden Größe und Mächtigkeit der äußeren Welt als eine persönliche Schwäche empfinden, die sie bestrebt sind geheim zu halten. Sie fühlen sich von der intensiven Eindringlichkeit des Sensitiven bedroht. Die meisten ziehen sich lieber auf eine oberflächliche Interaktion zurück. Wenn sie dann im späteren Erwachsenenalter eine sicherere Position und Anerkennung in der Welt gefunden zu haben glauben, beenden sie ihre Suche, aber das Gefühl der inneren Schwäche und Wertlosigkeit vor der großen mächtigen Welt bleibt dennoch weiterhin bestehen. So werkeln sie weiter an ihrer äußeren Festung, stückeln und restaurieren an dieser herum und geben ihr verzweifelt den Anschein von Würde und Kraft. Dahinter aber sind sie sich der schmalen Gratwanderung, die sie auf sich genommen haben, sehr wohl bewusst. Nach außen gehen sie die breite Straße, wohin auch immer diese sie führen mag, und fühlen sich in oberflächlicher Gemeinschaft mit einer Masse von Menschen wohl, die sie nur in einer Hinsicht wertschätzt: Mit ihr uniform zu sein. Betrügen sie dabei die Welt – oder nicht vielmehr sich selbst?